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Rosenstock-Huessy: Politische Geschichte als Heilsgeschichte (1932)

Es taucht die Frage auf, ob politische Geschichte Heilsgeschichte sein kann. Die beste Zeit im Jahr ist nicht die meine. (Bei so grosser Hitze und zu einem solchen Zeitpunkt der politischen Lage, über das Thema einen Vortrag zu halten.) So kommt etwas anderes dazu, was nicht in der äusseren Temperatur begründet liegt, sondern in der äusseren Zeit. Die ungeheure Schnelligkeit der Bewegungen lässt es zu einem weiten und ruhigen Ausblick nicht kommen und die Völker stürzen heute von Tag zu Tag “jählings ins Ungewisse geschleudert” herab. Der Glaube an eine stete und lange Führung des Weltregiments ist überall erschüttert. Die Völker suchen sich in grossen Massenbewegungen Luft zu verschaffen, Erleichterung. Der Chiliasmus ist die richtige Gegenbewegung gegen die Alltäglichkeit der Wirklichkeit. Diese beiden Wirklichkeit und Chiliasmus sind die Gegenbewegung gegen die Geschichte. Sie müssen es auf Treue und Glauben nehmen, wenn Sie die Treue, Wahrheit der Geschichte nicht treu entdecken. Chiliasmus ist auch zur Zeit Johannes des Täufers da. Das Täufertum ist darin, dass eine neue Zeit hereinbrechen muss in die Zeit. Der Chiliasmus ist nicht fähig gewesen, Geschichte aufzubrechen. Es musste noch ein anderer kommen, der die Menschen hinreisst, der Meister, der den Pfingstgeist ausgesandt hat, ist jenseits des Chiliasmus, wie er auch jenseits des Behagens steht. Pfingstgeist und Chiliasmus ist ein Filter, der heut vielfach nicht gesehen wird. Man stellt sich auf die andere Seite der Begeisterung des Enthusiasmus und sieht nicht, dass die griechische Gottheit, die im Rauschzustand enthusiastisch verteilte ,… sieht nicht, dass die Veränderung der Welt, die eigentliche Verwandlung der Völker und Welt, erst geschieht, wenn die Leute von Pfingsten aus in die Welt hinausgehn und jeder von sich in heiliger Nüchternheit, was sie in Begeisterung erfahren haben, ein ganzes langes Lebern durchhalten. Es kann ein langes Ausharren sein in einer Wüste bei Negern, Heiden und Landesgenossen, die einen nicht verstehn. Diese Probleme der heiligen Nüchternheit liegen meist da, wo die Geschichte anfängt, sich in den Dienst der heiligem Fragen und des Gottes zu stellen. Das sind banale Dinge, die ich mir erlauben wollte vorauszustellen. Der Pfingstgeist reisst die Menschen aus dem Alltag heraus. Er verjagt sozusagen das trübe Grau in dem bequemen selbstzufriedenen Leben. Er ist noch nicht die Feuertaufe, die es aushält nüchtern herüberzutreten in die Welt. Es hat einmal Paracelsus gesagt, der heilige Geist, dem werden alle Dinge leicht, aber die Probe besteht erst der, der’s fertig bringt, nachdem er die Taufe bestanden hat, ein ganzes schweres Leben freiwillig zuzubringen, das Ausharren in der Welt, damit sie nachgibt. Nur wenn man diese drei Tage gewinnt begreift man, was die Christen mit der heiligem Schrift gemeint haben. Diese Geschichte wird gründlich zerschlagen, und meine Aufgabe ist es, Ihnen auf Grund dieser Einteilung etwas von der Heilsgeschichte zu sagen and die Aufgabe zu stellen, ob wir in einer geläuterten und gereinigten Form nicht doch in der Geschichte einen Sinn suchen dürfen. Einen Sinn glaube ich bei ihnen voraussetzen zu dürfen. Die alte Kirche hat es sehr leicht, die alte Kirche war selber der Teil des Weltgeschehens, an dem sich Gottes Führung bewährte. Sie bewährt Gott in der Welt, und deshalb hat sie einen wichtigen Begriff, den der Oekonomie, den Haushaltverwalter im Haushalt hatte in der Schöpfung die Kirche als zweites hineingestellt, und es lag in der Oekonomie dieses Geschehens, dass die Opfer fallen mussten, dass der lange Weg angetreten werden musste durch die Völker, dass in Jahrtausenden das Christentum über die Erde den Weg zurücklegt, in dieser Heilsökonomie lag die felsenfeste …. Gottes Heilsplan begründet sich darauf, dass sich die Kirche aufbaut erst in den Jüngern, in den Regierenden, Bischöfen, Mönchen, vom heiligen Basilius bis zu Benediktin in den Heidenbekehrern, den Missionaren, und so war eine sichtliche Ausbreitung und der Aemter war kein Ende, und in jedem Amt war eine Vermählung geschehen mit dem geschichtlichen Geschehen unten auf Erden, wie es Rudolf Sombart ausgedrückt hat: die alte Kirche lebt von Wunde zu Wunde, von Sakrament zu Sakrament, war nicht das Reich der Kirche, sondern der Eintritt in die neue Lebensform, das Angliedern eines neuen Amtes an den Leib der Kirche. Gegen diese sichtbare Kirche kam der Gegenschlag vor allem in der Reformation, and für uns ist die Frage: ist mit der Zerschlagung von Kirchengeschichte and Heilsgeschichte die Heilsgeschichte entfallen; ist das alles nun Dunkelheit and Weltwirrnis genau wie zur Zeit Johannes des Täufers!

Zunächst, wenn wir auf die Reformation blicken, so ist ja Luther keineswegs der Meinung, dass Gott sich aus der Welt zurückgezogen hat, sondern er sucht Gottes Tun überall, wo eine Frau ihre Hausfrauenpflicht erfüllt und ein Mann seines Amtes waltet. Er glaubt an die Ausbreitung des christlichem Wesens durch dieses Hineingehn in die Welt. Er hat also nicht die Heilsgeschichte preisgegeben, sondern er hat nur aufgefordert den Zusammenhang von der Kirchengeschichte und Geschichte preiszugeben. Dies ist nur preiszugeben, was die Geschichte angeht, mehr nicht. Sie ist bei den Nachfolgern Luthers durch das Festhalten an dem Erbe der Reformation gegeben. Die Auffassung war seit Jahrhunderten, dass man im Zeitalter der Reformation lebe. Ein Professor Zahnke hat einen Streit über den Reformatiomseid und die Fragestellung: sind wir noch in derselben Zeit wie die Reformatoren oder nicht! Sind wir noch in der Zeit, dass wir soviel Angst haben, dass man Kirchengeschichte und Papstgeschichte so einstellt, dass wir uns nur negativ einstellen brauchen, weil an der Geschichte selber kein Zweifel ist. Dem Aberglauben, der mit dem Glauben kommen muss, dem muss man kommen. Es ist unmöglich, sagt er, wir sind in einer andern Zeit and. deswegen sind alle Fragen für uns in einer neuen Weise zu stellen. Wie denn nun! Sie sind in der merkwürdigen Form gestellt, dass wir die sichtbare Kirchengeschichte nicht mehr als Heil betrachten können, dass wir die Reformation nicht als Geschichte betrachten können. Wir können nicht einfach Luther, der die Reformation … einfach abgeben an die wirkliche Welt. Wenn alles andere dunkel ist, die Vorgeschichte von Konstantin bis Luther — als nachher bloss wieder Politik, Napoleon, Bismarck, da bleibt doch immer die merkwürdige Tatsache, dass ein innerer Vorgang äussere politische Wirkung gehabt hat, die wir irgendwie bejahen müssen, d.h. dem wir eine Notwendigkeit und in Gottes Heilsplan vorgesehenem Sinn beimessen. Mag es nicht christlich sein und nicht römisch, ohne der Reformation diese Geschichtsbedeutung beizumessen. Hier möchte ich den ersten Nagel einschlagen und sagen: wir haben jetzt einen Anhaltspunkt Kirche ist nicht gleich Heilsgeschichte, aber es muss geschichtlich Sinn-gebende, Sinn-tragende, unverrückbare Ereignisse geben, die nicht einfach in die Geschichte der Moabiter und der Ritter herunterfallen. Die Menschheit hat seit der Reformation vor (gegen) die Kirchengeschichte eine andere Geschichte aufzubauen gesucht und stellt gegenüber der Kirchengeschichte auf, die Weltgeschichte Welt in ganz betontem Sinn von mundus, von der äusseren, unchristlichen, dunkeln zerstreuten heidnischen Colos convellas, Welt. Die Welt hat ihre eigene Geschichte. Das ist der Gegenschlag gegen die Kirchengeschichte. Sie können es an Geschichtsschreibern deutlich sehen: an Stelle der alten Historie tritt die Weltgeschichte. In dieser Weltgeschichte fand man schwer den Sinn Man fordert Gott selber vor den Richterstuhl, so sinnlos erschien sie und ich habe das letzte Buch dieser Zeit mitgebracht; die Theodizee von Leibniz. Da wurde der Versuch gemacht, an Hand der Weltgeschichte dem lieben Gott den Prozess zu machen und ihn am Ende freizusprechen mangels Beweis, dass er schuldig sei. Das Wort Theodizee ist eine Rechtfertigung Gottes aus der Geschichte. Das Anliegen der geistigen Männer der Neuzeit - selbst Luther hat sich überhaupt der Geschichte hingegeben — ist die Rechtfertigung Gottes aus der Geschichte und der Ausdruck dafür ist der: Theodicee. Leibniz habe auch versucht: indem sie die Geschichte anzusehen wagten, brauchen sie ein Gegengewicht, den Gedanken:der das zulässt — das Bild ist mit verhängtem Zügel gebraucht, wie man einen Gaul galoppieren lässt, so ist das Verhängnis die Auffassung, dass das Verhängte in der Geschichte walten lässt, weil Gott die Zügel frei laufen lässt; er lässt die Menschen frei sündigen, hat dem Menschen die Freiheit gegeben, und man sieht, welche Narrheiten der Mensch unter dem Verhängnis Gottes begeht, unter diesem Zügel, die er nachlässt. Alles, was Sie selber in der Kirchengeschichte lernen, steht unter dieser merkwürdigen Spannung: einerseits die Geschichte rücksichtslos, wies wirklich gewesen ist, zu erforschen, andrerseits festzuhalten, dass das doch wohl Gottes Wille sein muss, den man nur recht zu erforschen habe. Wenn die Könige sich streiten, so werden die den Sinn haben, dass man die Freiheit erproben wollte and was dergl. mehr sonst war. Bei Schiller, der vielleicht der historischste Mensch in Deutschland gewesen ist, der durchglühte Sprecher dieser Sprache ist durch die ganze historische Geschichte das Thema seiner Poesie — auch die Volksüberlieferung hat er als Erster sehr beherrscht— dieser ganze Geschichtsmensch hatte die Vorstellung: zu welchem Ende studiert man die Universalgeschichte. Damit man das Weltgericht wiederfindet. Der Sinn der Weltgeschichte war für ihn nicht die Heilsgeschichte, sondern der Gedanke der Theodicee. Dass sich an dem Ausgang des Ereignisses, an dem Ende ermessen lasse, ob es zum Guten oder zum Bösen gewesen sei. Man hat die Neuzeit zum Erfolg, zum Richter der Geschichte gemacht, während die alte Geschichte mitarbeitet — denn schliesslich die Kreuzzüge, die Askese sind als Besieger, Ruhmlosigkeiten, hat die Weltgeschichte ganz einfach den Erfolg Gottes auf den Thron gehoben. Dies ist die Anbetung des Erfolgs und des Heroen. Diese Weltgeschichte endet kulminierend in der begeisterten Darstellung Napoleons.

Oder man macht es in Mommsen und verliebt sich in Cäsar. Es ist ausserordentlich bezeichnend, dass diese Mommsen-sche Geschichte abbricht an der Stelle, man könne das?nicht verstehn. Mit Cäsars Ermordung ist Cäsars Geschichte erloschen, weil hier eine Macht auf die Bühne tritt, die mit einer Niederlage endet. Dafür hat diese Geschichte keine Verwendung. Danach hat Pontius Pilatus recht. Nun von hier aus begreifen Sie die Haltung der kritischen Theologie, der neuen dialektischen Theologie, die nun durch die ganze Weltgeschichtsverherrlichung einen Strich macht und sagt: die Geschichte ist reine Dunkelheit, ist reine Nacht. Einmal hat der Funke gezündet. Die ganze Gogartsche Theologie ist gestellt auf eine ewige Polemik, gegen die Theodicee. Ich bringe die Dinge auf die einfache Formel, dass Theodioee nicht nur die par Buchtitel über Gott zu tragen auch Spengler ist Theodioee. Es würde zu weit führen, das näher zu entwickeln. Es ist eine Rechtfertigung Gottes durch die Naturgeschichte, den man zu entdecken glaubt und durch den man den Schöpfer oder Weltgeist irgendwie zu rechtfertigen sucht.

Gegen dieses ganze Jahrhundert des Prinzips, das von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis heute reicht, wendet sich die kritische Theologie und Dialektik, indem sie alles Diesseitige für verdächtig erklärt. Ueberall menschelt es, überall, ob in Kirche oder Staat ist selbstgefällige Menschlichkeit, infolgedessen ist weder der Ismus noch Asmus ein Allheilmittel, sondern der Mensch hat da überall Versuchungen vor sich, sich in eine diesseitige geschichtliche Grösse zu vergaffen und daraus ein goldenes Kalb zu machen. Diese keusche Macht unserer Gegenwart ungeschichtlich … Die Weltgeschichte hat uns zu lange zum Narren gehalten, so dass es ein heilsames … ist, Gott lässt sich nicht durch die Geschichte rechtfertigen. Wer so fragt: weshalb lässt Gott die Uebel in der Welt zu, der muss bei Hiob die … nachlesen. Hiob lässt es ab, auf die Frage der Leute zu antworten, warum die Uebel passieren. Und wenn heute die Leute fragen: warum geschieht dies, warum das, und es kann kein gerechter Gott sein, der das zulässt, so ist das kein rechter Gottesbegriff, und auf eine solche Frage gibt es keine Antwort. Es ist müssig, darauf eine Antwort zu suchen. Die Wirklichkeit ist die, dass das zugelassen wird und and dass jeder weiss, dass es einen Gott gibt. Gott ist nicht dazu da, die schmutzige Wäsche zu waschen, ist kein Persil, am die schmutzige Wäsche zum Bleichen zu bringen. Wenn dieses grosse Reinigungswerk durch die dialektische Theologie gebracht wird, … ich bejahe die Durchstreichung des Theodicee-Gedankens und bejahe den Zusammenbruch des … der einfach Kirche and Heilsgeschichte … Ich kann nur den Gedanken der Heilsgeschichte nicht fahren lassen. Nur als Geschichtswesen können wir Menschen in dieser Welt uns zurechtfinden and können in dieser Lage es aushalten. Dies von Tag zu Tag leben ist eine unmögliche Position, eine unchristliche, weil sie den Menschen vereinsamt. Jedes Wort greift in die äussere Welt, macht einem anderen etwas deutlich, lehrt ihn an etwas denken, ob’s der Vater ist, der auf etwas hinweist, ob das das Verlangen ist, ob das die Mutter Erde ist, von der aus man seine Kräfte erneuert and bezieht, all dies ist Geschichtsglauben, Ahnenglauben, Herkunftsglauben, and genau so ist es Adventsglauben, Zukunftsglauben; denn Advent heisst nur Zukunfts- Heraufkunftsglauben, das man durch die Wahl des Einsatzes und all die Erschaffung zuführt. Max Scheler hat gesagt, dass man die Dinge der Bestimmung zuführt das können wir durch den Logos, das Wort, die Dinge anreden durch die Aufgabe, die man ihr vorlegt. Wo einer steht, da ringt er mit seiner ganzen Existenz, ist er ein Wort Gottes. Gott spricht in die Welt hinein. Diesen Satz möchte ich festhalten, um dem blossen Täufertum, die uns die Geschichte in Nacht versenkt, die Geschichte festzuhalten, dass das Wort spricht. Er spricht es nicht durch menschliche Worte, sondern durch weltliche Gestalten.

Der zweite Satz ist: ich halte an der Reformation als an einem in Gottes Heilsplan Liegenden fest.

Die von den Fesseln eines überalterten Ereignens, die zu dem Aufbau der Quelle des menschlichen Lebens geführt hat, ist also ein in der Schöpfung angelegtes Ereignen und gehört damit in die Heilsökonomie.

Zum dritten glaube ich, dass die ökonomische Geschichte, die uns in Russland entgegentritt, dass sie das Christentum aufnimmt und verabsolutiert. Die Lehre von der Oekonomie, die Zusammenfassung geistig-seelisch-leiblich, der Geographie, alle diese Vorstellungen sind gut als kirchliche Vorstellungen nur in säkularisierter Form. Das Dogma würde im dritten Glaubensartikel sein die Lehre einerseits von der Ursünde der Menschheit, von ihrem Hingehn zum Tod und Verfall und von ihrer Heiligung. Die Gemeinschaft der Heiligen heisst in der alten Sprache “die Gemeinschaft der Geheilten”. Sie heisst keineswegs die Gemeinschaft der Einzelnen, sondern die Gesundheit der Völker. Wenn wir den Begriff der Oekonomie hier in seiner Distanz sehen, und Augustin taucht schon auf, und heute im Marxismus, so heisst es die gesprengten Werte zusammen zu sehn und den Gang der Geschichte zu retten. In unseren Kreisen ist natürlich die Gogarthen-Theorie akut oder andere Stufen der geschichtlichen Haltung der bisherigen theologischen Schule. Sehen Sie aber draussen in die Welt, so bedroht von Seiten des, Gnomismus1 und Nationalismus eine andere Gefahr. Diese beides grossen Weltbewegungen räumen noch ganz anders mit der Geschichtswelt auf, als das die Theologie tut, diese beiden greifen in Urtümer , Urzeiten zurück zu den primitiven des eigenen Volkstums und der Urstände. Nichts hat die Sozialisten vom ersten Tag so beschäftigt wie die Lehre des Primitiven. Die Lehre, als Beispiel i.J. 21 als der alte Ledebour beauftragt wurde, die neustem Forschungen über die Primitiven in die Einleitung der Partei hereinzuarbeiten. Als Gegenstände von aktueller Nähe gelten Erkenntnisse der Urvölker Australier, Buschmänner, Hottentotten in Afrika wenn es bedeutet, dass Urgeschichte wichtig wird gegenüber dem, was Geschichte heisst … und ganz dieselbe Bewegung wie überhaupt der Bolschewismus soll mitergreifen dieses tiefe Gefühl, dass man zu den Müttern in die Urgeschichte steigen muss ist nicht Geschichte im wirklichen Sinn, sondern im Sinn eines Urzustands, in dem die Quellen rauschen, die mitherrschen, indem man aber noch vor der Geschichte lebt. Mythos ist nur noch vorgeschichtlich. Der Mythos der antiken Tragödie ist vor dem Kreuz. Denn Jesus setzt die Wirklichkeit in die Geschehenswelt. Er verändert nicht die Literatur. Heute ist die Hinwendung zum Primitiven. Das hat nichts mit den zufälligen Parteien zu tun, ein Anliegen der grossen Volksmemge, die plötzlich den Sinn der 2000 Jahre für zu schwer und kompliziert hält, die betrifft wohl in eine Vorzeit der Geschichte. Wer heute überhaupt noch bei seinen Urgrossvätern bleiben will und es nicht auf den letzten Augenblick ankommen lassen will, der muss sich Rechenschaft ablegen, soweit sie Theodicee ist. Sie brauchen nur an Hitler zu denken. den Anspruch, dass das Papsttum deute die wirkliche Geschichte allein kulminiere.

Genau so wenig können Freidenker für sich in Anspruch nehmen, dass die Geschichte, so wie sie sie darstellen die rein politische Machtstellung des Staats, dass sie für die Massen eine Geschichtsbildung hinstellen, sie aufnehmen und annehmen. Nun schütten sie das Kind mit dem Bade aus und werfen damit auch das Christentum über Bord, und das Christentum wird damit mitbedroht; denn wenn man die letzten 400 Jahre herauswirft, dann kommt man auch dazu, Karl den Grossen rückgängig zu machen, dann gibt’s keine Alten mehr, und man muss selbstverständlich in die Urzeit zurück. Das ist das Wesen des Sozialismus, dass er die Völkergeschichte nicht in sich aufsaugt, sondern ihm raubt. Wir empfinden alle, dass da etwas Positives dran sein muss und dass wir nicht mit einer theoretischen Erwägung, einer bloss theologischen Verlegenheit Massnahme um eine solche ungeheure antigeschichtliche Bewegung herumkommen. Ich wollte Ihnen den Zustand der heutigen Welt in seiner ganzen Tragweite vor Augen führen. Die Wende der Geschichte geht ganz tief. Weil die Geschichte nicht mehr das tut, was sie doch zu allen Zeiten getan hat, den Menschen den grossen ruhigen Raum, in dem ihr Leben im Schoss der Gattung und eingegliedert verläuft, zuzuschauen. Wer muss sich mit Geschichte beschäftigen! Die Geistigen im Volk, die eine bestimmte Lebensstufe darstellen; sagen wir jene Stufe, die nicht ihrer Situation nach gattungsmässig gebunden ist. Der Mensch, der das Elternhaus verlässt und der Lehrling, der hinaustritt ins Wirtschaftsleben, der Student, der hinaustritt ins Wirtschaftsleben sind in der Lage, einen Augenblick ihr Elternhaus, den Staat, ihre ökonomische Lage von aussen anzusehen, also sich leiblich vital von ihr abzusondern. Sie sind ungeschichtlich, weil sie in dem Augenblick nicht dazu da sind, eine bestehende Geschichte weiterzuprüfen. Sie kommen auf die Universität und stellen in Frage. Es kann alles wiederkommen, nur wann wissen Sie nicht. Verbinden sie sich dies alles ist die Haltung des Menschen, dass alles zwischen die Zeiten tritt und dass er weder noch Sohn, noch schon Vater einer kommenden Geschichtssituation ist, sonders alles besieht und beschaut alles, und die Entscheidung liegt noch vor ihm, die er aus dieser Kritik trifft. Die andern Schichten brauchen viel weniger Geschichte. Der Mensch im Diesseits (-Kopf?) kommt mit furchtbar wenig Geschichte aus. Ich habe gar keine Zeit, über den Sinn meines Tuns als Professor nachzudenken; ich kann mir einbilden, dass es sinnvoll ist, weil Sie zu mir kommen and mich etwas fragen. Nicht für jede Lebenshaltung ist Geschichte das tragende Moment, weil ich schon wieder in die Geschichte eingetreten bin. Es handelt sich nicht am bewusste Geschichte,- es soll Ihnen zeigen, dass die Kinder im Haus vom Säugling bis zur obersten Schulklasse and ebenso der Mensch im Beruf, dass die von der Geschichte bereits gepackt werden von einem fabelhaften Wirbel wie in der Gletschermiihle werden wir vor bestimmte …

Jeder Krieg, sein Merkmal and bestimmtes Wesen zieht bis zur Karrikatur … ,anders ist es mit dem Menschen, der sich die Geschichte ins Bewusstsein erhebt, der sich um die Geschichte als einer geistigen Vorstellung bemüht, In den Völkern der Christenheit ist die Geschichte zum Amt immer geworden, und das war wichtig, dass es eine solche Freistatt gab für die grossen Zusammenhänge der Geschichte, und der Student ist auf der Universität dazu da, die zerbrochenen geschichtlichen Bindungen seines Daseins durch geistige Bindungen zu ersetzen. Das ist der Prozess Ihres Werdegangs auf der Universität. Das ist der Sinn des Studenten, dass sie sich eine Geschichtsstellung erobern. In der Wahl Ihrer Frau, Ihres Berufswahl, Ihrer Ueberzeugung, Ihres Wohnsitzes, im all dem treffen Sie klare Geschichtsentscheidungen, die zeigen, wie weit Sie sind. Ich wollte damit sagen, das Bewusstnehmen der Geschichte ist ein notwendiger Vorgang, der besonders auf den Menschen lastet, die vor allen Dingen aus den Bindungen entlassen sind, ersetzen muss durch ein Nachdenken über die … in die sich der Mensch begeben kann. Diese intellektuelle Schicht hat doch die dass sie ihren Thron nicht mehr vor ihren Richterstuhl rufen können als Philosophen, sondern ganz bescheiden sich als geschaffene Geister rechtfertigen müssen umgekehrt vor Gott. Ich möchte Ihnen vorschlagen als Ausdruck gegenüber Theodicee Laodicee um Rechtfertigung vor dem Stuhl Gottes. Das Problem ist: wie kommen und gehen, verderben die Völker, wenn sie ein Gesetz halten oder übertreten? Es gibt eine Rechtfertigung der Völker durch die Geschichte. Nicht die Stadt, nicht die Machthaber, nicht die grossen Reichen sind der Gegenstand der Geschichte, sondern das Lebendig-bleiben der Völker, der Menschen in ihrer Zeitordnung, dass nicht vergehen soll Tag und Nacht, Frost und Hitze, sondern dass der Mensch vergehen kann. Diese Wiederkehr der Völker ist das einzige Problem für den Geistigen. Es entspricht seiner Position. Wozu denkt er über die Geschichte nach! Damit er nicht die Fehler, die Enge, zu grosse Weite seines Elternhauses fortsetzt, sondern damit er das Gesetz, was er bekommen hat behält. Der Mensch, wenn er sich Systeme baut, wenn er studiert, sucht das Lebendige, was er mitbekommen hat, zu stabilieren, zu ergänzen und sich in der Richtung mit seinem Gewicht hinzuverlegen, die gerade im Volksleben mangelt, wo grade Not am Mann, Not am Volk ist, sucht nicht etwa willkürlich zu denken. Es sieht doch jeder, dass wir beworben werden, dass wir den Ausschlag geben sollen, damit die Geschichte so oder so weiterläuft. Die Versuchung ist gerade für den geschichtlichen Menschen da, dass er sein geschichtliches Denken für diesen Begriff braucht. Schon die Mythenbildung ist eine Form bildliche Geschichte, bildliches Gut und Nachdenken, das völkische Empfinden des Volkstums auf sich selbst stärken. Das ist, wie gesagt, noch möglich Chiliasmus, das ist nicht wirkliche Heilsgeschichte, sondern Heilsmythos. Wir können keine Dinge brauchen im Geistesleben, die keine drei Jahre, keine 20 Jahre dauern, sondern mindestens 50 Jahre. Eine Geschichte ist keine Angelegenheit der Willkür des Tages, sondern die hat unbedingt weittragende Bedeutung für den Aufbau des Volkstums auf Jahrhunderte. Die Geschichte hat das genau ganze Volk zu bauen. Versuchen wir genau soviel Zukunft zu haben, als sie wahre Vergangenheit ist. Nur wenn man rücksichtslos und vergangenheitslos in die Zukunft blickt, wird man den Untergang ….

Der Unterschied der Theodicee und Laodicee ist, dass der Geist der Menschen selber ein Teil des Geschichtsprozesses wird. Die Vorstellung, die wir von der Geschichte haben, sind uns mitgegeben als Waffen, uns im Daseinskampf zu behaupten. Die Erkenntnis der Menschen und Gottes fallen auseinander. Der menschliche Geist ist nicht Gott, ist nicht an sich göttlicher Natur, sondern der menschliche Geist ist Geschöpf, der Geist ist geschöpflicher Art. Wenn Sie diesen Satz ganz erfassen, werden alle Teile zu Teilgeschichten sich zunächst orientierend zukommen. Es ist völlig verschieden, weil die Idealisten menschlichen Geist und göttlichen Geist identifiziert haben. Diese Idee, dass ich zum Denken der Welt berufen, die ist eine Inthronisation der menschlichen Vernunft, die nicht aufrecht zu erhalten ist. Wir sehen, dass jede Partei und jedes Volk sich seine Geschichten zurecht zimmert, mit denen sie durch die Welt fahren. Wir sehen also die Relativität der geschichtlichen Bildung. Damit ist die Geschichte als Familiengeschichte sozusagen zunächst freigegeben. Sie ist Volksgeschichte, Familiengeschichte, sie ist Mythos und nun kann sie mehr werden. Indem nämlich die Geschichtsforscher ihre Abhängigkeit von dem zeitlichen Geist eingestehen and sich nicht befugt machen, den Herrgott hervorzuholen und eine Laodicee zu machen und zu Rechtfertigen, sondern indem sie eine russische Kirchengeschichte vorholen ist es zu einer Reinigung, zu einem Wiederaufbau im Völkerleben gekommen. Der Weg dazu ist gar nicht so sehr schwierig wenn wir bei der Reformation anfangen. Es bedeutet eine Rückkehr des Lebensstroms, der am Versiegen war, ein Aufquellen, wie Hutten sagt “es ist eine Lust zu leben”. Das Hochgefühl, Ergriffenwerden von einem Geist ist zunächst ein Kennzeichen dafür, dass ein geschichtliches Ereignis lebenfördernd wirkt. Wir werden also einteilen in volkserneuernde und volkszerstörende Vorgänge. Der äussere Erfolg kann durchaus volkszerstörender Vorgang sein. Dass Ludwig XIV. oder Innocenz III. die glanzvollsten Momente in sich tragen können der Nemesis das Volk ist es nicht, sondern im Gegenteil die Frage: ist die Geschichte jeweils auf Erneuerung aus. Denken Sie daran, dass der als Mensch, das Volk, die Familie als aller Ordnung des Lebens verpflichtet sind, sich in jedem Augenblick zu erneuern oder, wie es heute heisst, zu regenerieren. Ist die Geschichte die Art wie sie unter jedem Gesetz stehn. Sie brauchen nur unsere evangelische Kirche anzusehen: die Reproduktion der Aemter in der Kirche. Das Problem, mit dem sie ringt, ist das Vereinswesen. Das eigentliche Problem der dauernden Erneuerung zum Unterschied der Kirche hat er noch nicht. Das Vereinswesen ist ein typischer Verzicht auf Erneuerung von jeder Generation. Wenn man das bündische Wesen gegenüber den Vereinen eingruppieren soll, so wissen Sie, dass im Bündischen von vornherein das Problem des Nachfolgers gestellt ‘ist. Das ist der Gedanke, der in sich schliesst den Verzicht auf einen Fanfarenruf. Alle Vereine hängen am ersten Vorsitzenden, d.h. sie sind einfach sogenannte einaltrige Gebilde und damit ungeschichtlich, sind nicht mehraltrig, tragen nirgends das Problem: wo kommt der Nachfolger her. Denn die Wahl des ersten Vorgängers ist nichts. Sie sehen das an unserem Reichspräsidenten. Was nützlich ist, dass der Reichspräsident gewählt wird; es könnte das nämlich alles (niemals) sein, dass keine Macht es fertig bringt, den Menschen so hoch zu bringen, dass er als Kandidat oder Gegen-Kandidat inbetracht kommt. Dann ist das Problem einfach gestellt, wo kommt das in diesem Volksganzen überhaupt jemand so hoch, dass ihn alle sehen?

Dass die Reproduktion des Volkstums um seine Symbole überhaupt bei dieser Art Staatsbetrachtung garnicht inbetracht gezogen ist, das ist der Abschied von der bisherigen Geschichtsbildung, wenn man nur auf die Ordnung achtet und erklärt, dass die Reproduktionen sind. Dass sich dies im Kalender und Feiertag des Volks niederschlage.

Die Wiederkehr der ewigen Ordnung, das ist allein in der Geschichte in diesem Augenblick wert. Wo kommt die Form des Lebens her, durch die das Leben immer wieder gereinigt, entzündet, erneuert wird. Es ist doch keine Frage, dass der Wahrheitsbefund der evangelischeu Lehre durch die Reformation in dem Geistesleben eine ganz bestimmte Freistatt gefunden hat und dass in keinem anderen Land der Welt die geistigen Wege der Wahrheit praktisch eine solche Bedeutung eingenommen haben. Die anderen Völker denken nicht daran, der Wahrheitsbewegung diese Bedeutung beizumessen. Die Reformation hat es fertig gebracht eine Reproduktion durch einen ständigen Einbruch von Wahrheit und Kritik festzuhalten. Sie hat also das Volk mit einem Schuss Manneszucht …

Wie rechtfertigen sich die Völker vor Gott, dass er sie leben lässt wenn sie sich irgendwie exponieren, wenn sie sich dem Einbruch von Ueberzeugung dauernd aussetzen. Dem Wachstum der Wahrheit, wie ich’s nennen möchte. Das unterscheidet das Leben der Kirche, dass sie dies Wachstum der Wahrheit sehn in den Völkern selbst von da zur Situation, von der aus dies Geschichtsbild für uns zwingend wird.

Man hat das augenblickliche Kabinett mit dem Kabinett Michaelis verglichen. Das hat dazu geführt, die Fehler jenes Kabinetts klar aufzubreiten. Der Unterschied scheint mir zu sein, dass Sie als jüngere Generation noch einmal aus eigener Erfahrung sammeln dürfen, die wir im Krieg hatten seit 1930 in abgewandelter Form, die uns der Krieg eingebläut hat, noch einmal durchexerzieren Der Vergleich Brüning - Bethmann liegt nahe, auch durch ein Zusammenwirken heterogener Elemente. Ich will nicht ausmalen, damals der protestantische Geschichtsprophet Bethmann, jetzt der katholische Denker. Er ist ja ein sehr stark theoretisch eingestellter Beamter und Ihnen gegenüber der farblose Beamte, der alle die persönlichen Kräfte von Brüning nicht aufzuweisen hat. Sie werden wahrscheinlich erleben im Verlauf des Jahres, dass wir bis ans Ende durchexerzieren müssen, und zwar das, was wir im Krieg durchexerziert haben, nämlich, dass unsere Wege nicht Gottes Wege sind. Diese ganz bescheidene, diese ungesprochene Familien-Geschichtsüberzeugung jedes Volks, ist in dem Weltkrieg zuschanden geworden. Das kann man von allen Völkern sagen, und wehe denen, die es heute noch nicht eingesehen haben! Wir sind damit an der wirklichen Geschichte zerbrochen mit unserer Hof- und Familiengeschichte. Der Krieg hatte seinen Sinn vom rein staatlichen deutschen Standpunkt aus verloren. Diesen Riesenweltbau und Eintreten von Oesterreich-Ungarn auf unserer Seite ging weit über das Nationale hinaus, und Sie wissen, dass wir den Krieg ohne Ziel geführt haben. Man hat dann einige Kriegsziele erfunden im Krieg. Kein Mensch hat aber die West-Politik Belgien ernst genommen. Der Reichskanzler ist auf diese Scheingeschichte leider hereingefallen. Sie wissen von dem berühmten Satz, wie sie es auffassen, an dem er zerbrochen ist; er war nicht Fisch, nicht Fleisch, er war weder eines noch das andere. Man wusste nicht: wollen wir Belgien herausgeben oder nicht. Der Mann war in einer halben Position, sprach ohne innere Resonanzen, ohne Senorität, eins Satz, der sich aufdrängte, um sich zu salvieren, weil er die Tragweite abschwächen wollte. Es haben damit die eigentümliche Geschichtsklitterung und die wirkliche Geschichte überquert und überschnitten. Genau so ist’s in London: 2 gehn durcheinander. Die reale Lage und der gute Wille, würde Reuter sagen. Ihr eigenes Geschichtsbild hineinzutragen. Es ist noch nicht genug an willkürlicher Geschichte zerschlagen. Der eigentliche Punkt ist einzusehen, nicht, wo wir hin wollen, sondern wo wir hin müssen. Die natürliche Situation, die wir aufnehmen können und müssen, ist, dass wir auch im Frieden im Krieg bleiben müssen, der Friede, dass er ein Traum ist und nur bescheren könne dass wir den Frieden in Kriegszustand setzen, dass die Völker nur untereinander leben können, dass wir mit der äussersten kriegerischen Kopfanstrengung uns nur vor dem rein blutigen Krieg retten können. Das Paradox ist also, dass uns nur die schärfste Anspannung der kriegerischen Energien für Friedensaufgaben ermöglichen kann, dem wirklichem Frieden zu entgehen. Wenn ich als Aufforderung an ums gerichtet sehe, in jedem Augenblick das kriegerische Dasein aufrecht zu halten, so fordere ich damit ein Leben für die Erhaltung der Gattung, ein kriegerisches Dasein, das ausgeht von der Frage: wie kommt die nächste Generation wieder in Blüte. Ein langer Weg, ein langes Sammeln, Schweigen.

In dem Augenblick, wo man die Geschichte ernst nimmt, kommt das Geheimnis auf; man verrät sein Geheimnis dem Gegner. Man muss aufspeichern. Das Leben ist ein Kampf des Volks um seine Reinigung, Erneuerung, Regeneration. Dies ist das Geschichtsbild, das wir auch nach rückwärts projizieren, und zwar bewusst. Wir wissen, was wir tun, haben ein neues Ausleseprinzip, Fragen von der vergangenen Geschichte: wo sind die Ereignisse, die Leben der Völker erneuert haben. Wo ist das stockende faulende Leben, wo die Säfte zu gerinnen drohen, Aufbau zu neuen Taten! Wo sind nationale Formen! Da taucht die Reformation auf. Hier ist das Zentral-Ereignis unserer Geschichte, über das wir nachdenken müssen, nicht biographisch bei Luther, sondern als Umformung, und wenn wir ernst machen, dann hört auch die deutsche Geschichte auf so trostlos zu sein, wie sie etwa in Haller’s Geschichte aussieht. Dann gibt’s nachher den 30 jährigen Krieg. Man kann nicht fragen, was hat das deutsche Volk Frieden gesucht und zu neuen Taten durstig erhalten. Das ist doch keine Kleinigkeit was kommt es da auf ein par zerbrochene Fürstenvasen an. Nicht Dekadente, dass dort gar nichts mehr zu machen ist— natürlich haben sie alle Dinge des äusseren Volks gar nicht zu unterschätzen- zu teuer bezahlt mit dem Tod der Art der Dekadenz, mit seiner schlechthin Wandlungsunfähigkeit.

Wie sind wir durch den dreissigjährigen Krieg, durch den 7 jährigen Krieg gekommen. Was hat trotz aller bescheidenen Regenten, bescheideneren Untertanen sich erneuert. So kann staatliche Schwäche durchaus Volksblüte und Volkskraft sein. Ich sage nicht, dass das sein muss, aber die Fragestellung ist frei von irgend einer Verehrung eines Götzen, von irgend einer Machtapparatur. Nicht dass etwas klappt in der Völkergeschichte, ist das Entscheidende, sondern dass Menschen so leben, dass sie dem Schöpfer danken können. Und dass der Weltkrieg uns den Mut macht, das geschichtliche Denken selber an uns so zu empfinden, dass es Mut macht, dass wir uns als Ahnherren führen können vielleicht für Jahrhunderte. Das ermächtigt uns auch die christliche Geschichte als Geschichte zu verstehen. Nur wenn wir die Laodicee, die Rechtfertigung der Völker umfassen als Heilsgeschichte, können wir die letzten zweitausend Jahre erhalten im Zug der Gegenwart.

Die Urgeschichte gehört mit in die Geschichte. Das wird noch grosse Dimensionen annehmen. Wir werden uns noch alle erziehen und tätowieren. Das macht nichts, wenn wir nur nicht in die Lüge verfallen. Ich bejahe den Strom, der vorbricht, wenn er den Zusammenhang mit der bisherigen Geschichte behält. Der neue Anfang kann nur ein heilsgeschichtlicher Anfang sein. Nämlich die Frage: was erhält die Völker gesund! Was haben sie in der Vergangenheit neu gelebt, dass es bis heute gekommen ist. Man kann nicht aus den 2000 Jahren zurückspringen und sich erneuern, wenn man nicht auch die Quelle ist, … Werke sind. Und so hängt die Erneuerung in Geschichtschreibung und in der Heilsbewegung eng zusammen, und was die christliche Geschichte getan hat, ist nur die Vorbedingung im Weltkriegserleben und in der Geschichte der Theologie.

„Politsche Geschichte als Heilsgeschichte” als PDF-Scan

  1. Gnomismus: die Manier, Dinge den Formen von Menschen-Körperpartien nachzugestalten, eventuell übertreibend. (JKM)