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Rosenstock-Huessy: Ebenbild (1917)

Jede europäische Revolution hat Gott zum Schutzpatron. Jede fühlt, dass die Kraft ihrer starken Bataillone sie zu dem Siegesruf “Gott mit uns” berechtige. Die Grossmächte haben also Gott vor sich gesehen es fragt sich nur welchen?

Der englische Glaube wendet sich 1649 mit plötzlicher Heftigkeit den Herrn Zebaoth des alten Testaments zu. Das unerbittliche Gericht des Herrn, sein Eifer und sein Zorn, treibt den Menschen des “verlorenen Paradieses” und bestimmt seinen Gottesdienst und sein Loben. Gute Werke und strenge Sonntagsheiligung sind die unvermeidlichen Wirkung dieses Bildes von Gott. England wird wie das Haus Israel zum auserwählten Volk Gottes, das ehrfürchtig seine Gebote befolgt.

Die katholische Kirche besiedelt ihre Revolution durch die Einsetzung des Marienkultus 1252. Sie, die löwenkühne Mutter den Abendlandes, die Erhalterin der Unmündigen und Frauen, die den reinen Glauben hindurchrettet durch die Versuchung der Zeitläufte, verklärt die Gottesmutter, die Jungfrauengebärerin als “Miterlöserin” ein Name, den ihr Pius X. denn auch von Amtswegen zuerkannt hat. Frauenopfer und Mutterschaft stellt nur die Kirche den Völkern Europas als Werdebild vor Augen “La femme protoestante n’a pas d’ideal” sagt der Erforscher des Herzens Balsac. Der Marienkultus verdrängt zu Zeiten fast die heilige Dreieinigkeit in Glaubensleben der römischen Kirche. Maria und das Papsttum sind gerade kurz vor der ersten Sühne, zwischen 1854, dem Dogma von der unbefleckten Empfängnis Mariae durch ihre Mutter Anna, und 1870, dem Unfehlbarkeits-Dogma des Papstes, die Angelpunkte katholischen Kirchentums, und ein so gewaltiger Geist wie Passaglia, der grosse Jesuit, erschöpft seine theologischen Leistungen darin.

Die Tochter der Kirche, Frankreich, entzweigt gleichfalls der heiligen Dreieinigkeit ein Element. Voltaire, der Espritanbeter, ist ihr Wortführer. Montesquieus Esprit des loies ist ihre grosse Revolutionsbibel. Esprit, der Geist verklärt sich in der Göttin der Vernunft, des erhabenen Robespierre und seiner Genossen. In Robespierres grosser Rede, die das Jahr l in der Zeitrechnung der Pariser-Revolution einläutet, kommt das “Gott will es” dieser Empörung zu flammenden unzwiedeutigen Ausdruck in seinem Dreiruf: Gott- Freiheit Unsterblichkeit. Die weisse Taube des heiligen Geistes ist hier zur Weisheit Pallas Athene geworden. Die Zurückverwandlung ins Heidnische ist durch die Verweiblichung der Gottheit Geist offenbar. Wenn das auserwählte England den Herrn Zebaoth anbetet, so verteidigt Frankreich die Freiheit des göttlichen Geistes gegen die Barbarei, wie einst Athen die Götter der Hellenen, Athene voran, gegen die Perser.

Das “Kaiser”tum braucht seiner väterlichen Gewalt und Sorge Abbild und findet es in Gott Vater der Trinität. Der alte gute Gott, der liebe Gott mit weisen Bart und segnender Hand, der die Sonne aufgehen lässt über Gerechte und Ungerechte, der die Lilien auf dem Felde ohne all ihr Verdienst ernährt, ist das verklärte Ebenbild des Reiches der Gerechtigkeit und Verwaltung des Schutzherrn der Schwachen und Bedrängten. Jeder Hausvater, der bieder und fromm mit den seinen, Frau, Kindern, Magd und Knecht, das Vater unser betet, bekennt sich zu diesem deutschen Gott. Wotan, Allvater, der Gott der Eisen wachsen liess, ist dieser im Rauschen der Wälder geheimnisvoll sich offenbarender Gott. Er fährt einher mit der wilden Jagd herrschaftsträuend, ehrfurchtgebietend. Sein Wesen ist nicht Gesetz und eiferndes Gericht, wie des Gottes Israels, Abrahams und Jacobs, sondern Huld und Gnade sind die Weisen in denen er sich den Menschenkindern zuneigt.

Das Volkstum in allen europäischen Ländern hat ein anderes Bild von sich gesucht und gefunden. Ob wir Peer Gynd oder Göthes Prometheus und Faust oder Selma Lagerlöffs Gösta Berling betrachten, ob wir des müden Dichters Hauptmann Emanuel Quint oder des kräftigen Landpfarrers Fränzen1 Hilligenlei lesen, ob wir Sören Kierkegaards Geheimnis der Christen nachhängen, oder des klugen Chamberlain vollkommenen Menschentums des Ariers Jesus: immer ist es Hölderlins “Sohn der besseren Natur” des Menschensohnes, in dem alles glaubenslose seine Erfüllung findet, in dessen Bild alle Ströme der Erlebnisse einmünden und zur Ruhe kommen. Der menschgewordene Gott, der einst und heute und alle Zeit sichtbar auf Erden wandelt, als dass im Fleisch uns offenbarte Wort, der Heiland und Heros, ist das göttliche Ebenbild des einzelnen Volkstums in Europa, der “Nation”. Dem Erdreich entsprungen und doch göttlichen Ursprungs und Adels zu sein, die Reinheit trotz und in der irdischen Kraft, ist die Sehnsucht und die Verklärung des angestammten weissen Rassenstolzes, des Hochgefühls, ein Ebenbild der Gottheit selbst zu sein.

“Wie einer ist, so ist sein Gott”: der Europäer, der alle Grossmächte seines Erdkreises überblickt und nebeneinander gelten lässt, Göthe, hat diesen Spruch geprägt. Wir sehen, er hat wörtlich recht und nach seinem Erlebnis Europas prägen müssen. Und doch hat er nicht den Ring und Kreis, in dem all diese Götter befangen und beschlossen bleiben, Europäertum seiner selbst, anschauen können. Denn was ist es denn, was den strengen jüdischen Monotheismus England, den Gottvater des Kaiserreiches, den Menschensohn der Rasse und Nation, den Heiligen Geist der Heidengottheit der Pariser-Aufklärer, die Mutter Gottes Roms, alle im Ringe Europas einen nach dem anderen hervortreibt?

Aus dem ersten christlichen Jahrtausend hat das Abendland das Vermächtnis, den Kreuzzug nach dem Grabe in Jerusalem unternommen. An diesem Kreuzzug haben sich alle Revolutionen entzündet. Rückblickend gewinnt die Geschichte die des ersten christlichen Weltalters, plötzlich einen hellen und klaren Leitfaden und Entwicklungsgang. Die Zeit von Christi Geburt bis zum Jahre 1000 dünkt uns heute ein wildes Chaos, ein düsteres Dämmern der Weltgeschichte, eine Zerstörung und Unterbrechung der herrlichen antiken Kultur. Der Vorhang des Allerheiligsten im Tempel zu Jerusalem zerreißt, der grosse Pan ist tot, klagen die Griechen und Cäsar endet die Geschichte Roms, nicht nur Brutus hat so gedacht. Auch Mommsen endet aus gleichem Gefühl heraus mit ihm sein Lebenswerk der römischen Geschichte. Ratlos steht die heutige Wissenschaft vor diesem Rückgang und Verfall. Die Barbaren brechen ein und ihre zügellosen Schwärme schlagen den Kunstbau in Trümmer.

Aber wenn wir auf Schulen und Hochschulen über das Jota spotten hören, um das auf dem Konzil von Nicea erbittert gekämpft und gerungen wird, ob nämlich Christus Gott ähnlich oder Gott gleich sei, so können wir jetzt rückblickend fragen: wie ist denn dies Vermächtnis der 5 Grossmächte in Europa gekommen. Hat etwa das Testament, das der Kreuzzug aus dem Grabe in Jerusalem ins Abendland zurückholt, seine Geschichte, seinen Werdegang?

  1. Das Jota in Nicea rettet die Göttlichkeit des Menschensohnes gegen den Vater des Arius.
  2. Die Hunnenschlacht auf den auf den katalaunischen Feldern gegen Attila rettet den freien göttlichen Geist des Abendlandes
  3. die Schlacht gegen den Islam bei Tours und Poitiers rettet
  4. Der Fels Petri, das Papsttum rettet die Kirche und das Muttergottesbild Mariens, der reinen Magd.
  5. des Imperiums Roms und seine Wiederherstellung durch Karl den Grossen am Weihnachtstage des Jahres 800 rettet Gott Vaters-Weltregierung die Gewalt der natürlichen Ordnung und Herrschaft.

Fünf grosse Gefahren erhoben sich von aussen in diesem ersten Jahrtausend gegen den neuen Bund, der auf Golgatha seinen Anfang nimmt.

Fünf schwere Kämpfe besteht das Christentum im ersten Jahrtausend gegen die Aussenwelt. Gegen die Bischöfe und gegen Byzanz Cäsarpapismus behaupten die Päpste selbstständig die Kirche in Rom. Die Kaiser streiten wieder die Willkür der Gentes, der einzelnen Stämme, wie der Goten und Sachsen, die römischen Kaiser vergeblich, der deutsche Karl mit Erfolg. Die lebenzerstörenden, geistlosen Scharen Etzels ereilt auf französischem Schlachtfeld ihr Schicksal; noch die Geister der erschlagenen ringen auf den katalaunischen Feldern gegen die Überwältigung der abendländischen Geistesfreiheit. Alle Völker des Festlandes vereinigen sich, um gegen die Verhärtung und Verjüdung des Islam zu streiten und den Reichtum der christliche Dreieinigkeit und Offenbarung in der Welt gegen die Verarmung durch Allah und seinen Propheten Mohammed zu behalten.

Und die Stämme der Angeln und Sachsen wandern aus unter Hengist und Hossa nach Engelland um ihre männliche Freizügigkeit vor Fremdherrschaft und Einengung zu retten. Vom Konzil zu Nizaea bis zum Kaisertum der Franken wurden stückweis die Glieder des Abendlandes gegen äusseren Anprall festgestellt. Die ersten drei Jahrhunderte dieses ersten Jahrtausends aber bilden das Samenkorn in allem seinem Reichtum aus: Gottes Wort am Kreuz, daraus aufersteht die Kirche in Rom, es ersteht das römische abendländische Kaisertum, die Freiheit der Völker in der Schlacht bei Adrianopel, in der Bibelübersetzung des Wulfila, die Freiheit des Geistes in den Kirchenvätern von Origenes bis Augustin.

MUTTERGOTTES PAPSTTUM PETRUS IN ROM
VATER RÖMISCHES KAISERTUM DIOKLETIAN
SOHN GERMANENBEKEHRUNG WULFILAS
HEILIGER GEIST KIRCHENVAETER ORIGINES AUGUSTIN
MANNESFREIHEIT GERMANENFREIHEIT  

Ausgesprochen wird diese Struktur, die Christus seinem Volke geben will unter Konstantin. Seine Bekehrung, das Konzil von Nizaea mit der Niederlage des Arius, die Verlegung seiner Herrschaft nach Byzanz, durch welche das Papsttum in Rom frei wird, das sind die entscheidenden, bewussten Ausdrücke des neuen Weltplans.

Mit diesem Ereignis ist die christliche Zeitrechnung allererst möglich geworden als allgemein europäische Zeitrechnung. Von 325 bis zu den Franken müssen die Teile des Nicaeanischen Glaubensbekenntnisses gerettet werden vor der Aussenwelt: d.h. das Christentum als Ganzes muss sich gegen alle Gefahren die von aussen kommen, selbstständig machen. Das Christentum muss zeigen dass es jedem Gegner gewachsen ist. Von 325 ab entbrennen also die Kämpfe gegen:

  1. die Feinde der Kirche (hlg. Ambrosius bis zum Bilderstreit 787)
  2. die Feinde des Geistes (Hunnen 451 bis 955)
  3. der Freizügigkeit und Auswanderung der Angelsachsen bis zu den Normannen (450 bis 1066)
  4. des Kaisertums (Alarich in Rom bis Karl des Grossen)
  5. die Feinde des Sohnes (der Islam 622 bis 1092 (Cid))

Von Nizaea also bis zum ersten Kreuzzug, von Athanasius und Konstantin bis zu Cid Campeador und Gottfried von Bouillon erstreitet Europa seines Wesens freie Art. Es macht sich gegen eine Welt von Feinden selbstständig im Strudel dieser Welt. Das Samenkorn hat in den ersten drei Jahrhunderten den orbis terrarum, im Erdkreis gedüngt und befruchtet von seinen Geheimnissen sich ausgebildet. Das Haus des neuen Bundes hat vom Kreuz bis zum Konzil von Nicaea seinen Bauplan erhalten. Dieser Zeit der Sammlung folgt die Zeit der Zerstreuung der Frühsaat. “Wo kein Zaun ist, wird das Gute verwüstet”. Acht Jahrhunderte bauen an diesem Zaun gegen die Barbarei. Als er aufgerichtet ist, da ist Europa das erste und einzige selbstständige Völkerhaus auf Erden. Seit den Kreuzzügen ist die Wiederkehr der Barbarei im Abendland gesteuert. Hier werden fortan die feuchten Keller die letzte Zuflucht für die Weisheit werden, so wie die unbehüteten Griechengenien, wie Aristoteles Lebenswerk nur Zufall in Kellersohlen rettet. Kein Reichsrecht kann mehr verfallen wie das Corpus iuris Roms. Und keine Tempel stürzen in unwiederbringliche Nachtwie der der Juden in Jerusalem. Kein Volkstum in Europa wird mehr sterben wie einst Etrusker, Mazedonier und Goten. Seit 1100 behaupten selbst die Kelten, ja die Basken und Albanesen ihre Nationalität bis auf den heutigen Tag.

Aufgerichtet ist damals der Ring, aus dem kein Glied mehr verloren geht, es sei dass es bewust herauszubrechen trachte mit besonderer Zeitrechnung. Und seitdem so die äusseren Gefahren überwunden und Europa an der Spitze der Erdteile marschiert, beginnt die Auseinandersetzung des Ringinneren in seine Gestalten. Was nach aussen ein Ring ist gliedert sich nach innen zum Reigen, jeder Europäer schlingt sich im Laufe seines Lebens durch diesen Wechseltanz hindurch, jedem leuchten alle sieben Sternbilder, jedes zu seiner Zeit.

Heute schlägt der Krieg dem Abendland die Mittel aus der Hand mit denen sie ihre Vorherrschaft auf Erden errichtet, Europa verarmt. Das Abendland wird …ele..rt, dass alle die Empörungen das Go.. will es nicht von dieser Welt bleiben dürfen: Europa wird zur Ki… zur Mutter für die Erdteile alle, das Ebenbild der Fülle … zu dem Russia, Asia, Afrika, Australia und Amerika hinstreben werden.

„Ebenbild” als PDF-Scan

  1. Gustav Frenssen