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Thomas Dreessen: Eugen Rosenstock-Huessy (1888-1973) Die Sprache als letzte und ursprüngliche Religion

Thomas

„Die Sprache ist darauf gerichtet, Frieden zu schließen, Vertrauen zu geben, die Alten zu ehren und die nächste Generation frei zu machen.”1 Rosenstock war nicht nur Gelehrter und Philosoph, sondern auch erfüllt vom Engagement für die Verständigung zwischen Menschen und Völkern. Er lebte mit und für die Sprache als Medium menschlichen Miteinanders und sozialer Kommunikation.

Eugen Rosenstock-Huessy setzte sich sein Leben lang dafür ein, den Krieg zu überwinden. Den Ersten Weltkrieg hatte er als eine Weltrevolution erfahren, in der eine neue Epoche angebrochen war, die Epoche der Gegenseitigkeit aller Menschen auf diesem Planeten. Rosenstock-Huessy war mit Rudolf Ehrenberg überzeugt: „Das dritte Jahrtausend wird entdecken, daß der Geist Gottes als Sprache des Menschengeschlechts in die Biologie des Menschen hineingehört, statt als reiner Geist in einer theologischen Wissenschaft gefangen zu bleiben. Aber das wird nicht geschehen, bevor der Tod in die Mitte der Biologie des Menschen gerückt wird, wie Rudolf Ehrenberg es gefordert hat. Denn Geist verbindet die Geschlechter, und Geist wird durch Sterben wirksam.”2

In dieser Leugnung des Todes als Teil des Lebens wurzelt die namenlose Angst der Einzelnen, die sich als natürliche Individuen verkennen. Wie kommen wir heraus aus dieser Hölle? Rosenstock-Huessy: „..als Mitglied der gegenwärtigen Gesellschaft kommt unsereiner ja aus der Hölle nur auf Augenblicke heraus. Und da steckt wohl das Geheimnis. Einzeln kommt allerdings niemand aus der Hölle heraus, außer in der Einbildung eines kalten und sich selbst betrügenden Herzens. Die Formeln von der » Intelligenz « und dem » Denken « genügen dem nicht, der erfahren hat, daß wir nur alle zusammen die Hölle verlassen können…”3

Als Antwort auf die Katastrophen der sozialen, kulturellen und ökologischen Verwüstungen wies Rosenstock-Huessy einen Weg. Bas Leenman, der Meisterschüler und Freund Rosenstock-Huessys fasste 1993 in einem Satz zusammen, worum es Rosenstock ging, wenn er vom „Familiengespräch” der Menschheit sprach: „Alles muß noch einmal gesagt werden, jetzt vom Menschen her.”4 Dafür arbeitete Rosenstock-Huessy sein Leben lang, in Deutschland wie in den USA. Er legte mit seiner Soziologie Grundlagen für eine neue und notwendige Lehre vom Zusammenleben der Menschen und stellte die neue Epoche unter das Leitwort respondeo etsi mutabor.

Biographie

Eugen Rosenstock wurde am 6. Juli 1888 in Berlin geboren. Er hatte drei ältere und drei jüngere Schwestern. Seine Eltern waren jüdischer Abstammung, lebten aber ohne religiöse Praxis. Ihr Familienleben war eher durch christliche Feste geprägt, insbesondere durch Weihnachten. Die Liebe zur Wissenschaft und zum Vaterland war ebenso selbstverständlich, wie die Liebe zu Dichtern und Schriftstellern. Als Schüler nahm Eugen freiwillig am evangelischen Religionsunterricht teil und liebte es, in der Kantorei seiner Schule, des Joachimsthaler Gymnasiums, zu singen. Später bezeugte er seine Dankbarkeit dafür, dass er „als Kind die Möglichkeit hatte, das zu lernen, was für alles weitere Wachstum unentbehrlich ist: hören und gehorchen, singen, spielen, lesen und dienen”.5

In seinen autobiografischen Fragmenten schreibt er: „Vier Jahrzehnte, von 1902 bis 1942 hat mich das Wort Sprache zum Schemel seiner Neuausrufung gemacht. Als Namen haben wir es wieder ausrufen müssen, Nachdem es ein bloßer Begriff geworden ist. Und so mußte sich ein Stück menschlichen Lebens wohl oder übel selber in der dramatischen Struktur der Schöpfungsgeschichte abspielen. In vier Jahrzehnten habe ich als Präjekt, Subjekt, Trajekt, Objekt den neuen Namen durchgetragen. […] es ist die Geschichte einer von mir geglaubten, alsdann anderen mitgeteilten, von uns gemeinsam festgestellten und schließlich von der Welt angeeigneten Wahrheit. Ereignis wird Eigenschaft, Eigenschaft wird Eigentum, Eigentum wird enteignet, damit es allen eigne. Die vier Akte füllen im großen und ganzen ein jedes ein Jahrzehnt, so daß sich die Epochen 1902-1912, 1912-1923, 1923-1933, 1933-1943 ohne Zwang abheben. […] Frage und Gesetz: Unter welchen Bedingungen trägt eine seelische Erschütterung Frucht? Sie trägt nur Frucht, wenn ihr Träger als Dich, Ich, Wir, Er durchkonjugiert wird.”6

Ko Vos schreibt über Eugen Rosenstock-Huessy: „An Wendepunkten der Zeiten wurde ein Mensch geboren, der seiner Zeit voraus war, weil er auf die neue Situation eine Antwort zu geben vermochte, die wir gewöhnlichen Menschen nicht erdenken konnten. Solch ein Mensch ist Eugen Rosenstock-Huessy.”7

1902 -1912 Präjekt der neue Glaube

Schon 1902 war Eugen Rosenstock-Huessy beeindruckt von Hamanns Wort: „Sprache ist der Knochen, an dem ich ewig nagen werde.”8 Im Gymnasium lernte er Ägyptisch neben den Pflichtsprachen Latein, Griechisch, Englisch und Französisch. Er verfasste damals ein althochdeutsches Wörterbuch, übersetzte Sprüche aus dem Altägyptischen und erwarb Jakob Grimms Deutsche Grammatik von 1819 und dessen Rechtsaltertümer. „Ich wollte die Organisation der Menschheit auf Grund der Sprache enträtseln, und komischerweise studierte ich alles Philologische mit einem zelotischen Fanatismus und einer Ehrfurcht, als sei diese Art Sprachwissenschaft der Weg ins Heiligtum.”9Jedoch begann er auch zu dichten inspiriert durch seine erste Liebe und lebte mit der Poesie. Insbesondere Hölderlin, Nietzsche, Goethe, Homer, Schiller, Lessing, Pindar, Chesterton, „bauten ein echteres Reich der Sprache neben dem philologischen auf.” 10 Sein Leben lang hat er aus diesen Quellen geschöpft, auch in seiner eigenen Dichtung. 1906 machte er Abitur und begann auf Wunsch seines Vaters das Studium von Rechtswissenschaften, Geschichte und Philosophie in Berlin, dann Zürich und Heidelberg bis 1909. Daneben studierte er weiter seine Leidenschaft, die Sprache. Er stand vor der Herausforderung, die Wissensgebiete, die ihm Heimat waren, Jura, Geschichte und Sprache zusammenzubringen. Er wollte ein großer Sprachgelehrter werden.

Am 14.12.1909 ließ er sich taufen. Schon seit 1905 hatte er sich als Christ gefühlt. Er wählte seinen Taufspruch aus Lukas 6,5a (Codex D): „Mensch, so Du weisst, was Du tust, so bist du gesegnet, so Du aber nicht weisst, was Du tust, so bist du verflucht.” 11

1910 promovierte er cum laude in Rechtswissenschaften in Heidelberg. 1911 absolvierte er ein Jahr Militärdienst. Im Anschluss verfasste er 1912 die Denkschrift Ein Landfrieden. Sie ist ein Memorandum über den freiwilligen Arbeitsdienst zur Überwindung des Krieges und die Wurzel der freiwilligen Arbeitslager in der Volksbildung der 1920er Jahre zur Überwindung des von Rosenstock prophezeiten „Lügenkaisers”. Später entdeckte er, dass zeitgleich William James in den USA ähnliche Gedanken als sein Testament verfasste: A Moral equivalent of war.

Das Gespräch unter den Menschen neu zu begründen war für ihn berufung. Rosenstock entdeckte, dass der Anfang menschlichen Sprechens nicht im Indikativ, sondern im Imperativ begründet sei; der Imperativ, nicht der Indikativ, sei die Grundform des Verbums. Diesen Imperativ zeigt er auf. Er meinte damit etwa die Anrede des Kindes durch die Eltern mit einem Namen, auch die Liebe zu einem anderen Menschen, die zum verwandelnden Imperativ wird. Erfahrene und anerkannte Nöte deutete er als Imperative, auf die mit einer Änderung des Weges zu antworten ist, nach dem Beispiel des barmherzigen Samariters aus dem Evangelium. Die Entdeckung dieser Grundstruktur des Sprechens bedeutete für ihn die Wiederentdeckung des lebendigen Gottes (siehe unten den Exkurs Leipziger Religionsgespräch).

1912-1923 Subjekt – Mitteilung

In der öffentlichen Mitteilung erfolgt die Verkörperung des neuen Glaubens, es stellt sich die Glaubwürdigkeitsfrage. „Denn der Mensch wird, was er gläubig spricht. Wir sprechen uns in unsere eigene Existenz hinein, je mehr wir ablehnen, bloß eine fremde Existenz nachzuschwätzen. Sprechen heißt, sich ereignen und eben dadurch in eine neue Daseinsform hinüberzuwechseln.”12

Rosenstocks Erfahrungen sind aktuell, weil doch das Subjektive bis heute weitgehend als bloße Ich-Form vom Denken zugelassen wird. Dabei, so Rosenstock, sei der Satz des Descartes: Ich denke, daher bin ich! sinnlos, wenn man den vorhergehenden Satz weglässt, der Da lautet: „Ich aber sage euch!” Damit enthülle er sich nämlich als Mitteilung, also nicht als Anfang neuen Sprechens.

1912 habilitierte sich Rosenstock in Leipzig mit Ostfalens Rechtsliteratur unter Friedrich II. Dabei trat seine Liebe zur Sprache erstmals als neue Erkenntnis in die Öffentlichkeit: „Die Sprache ist weiser als der, der sie spricht.” Diese Erkenntnis wurde vom akademischen Diskurs nicht rezipiert, steht sie doch gegen die Überzeugung der Wissenschaft, Sprache sei ein Mittel, um Gedanken in Worte zu fassen. Rosenstock begann zu begreifen, dass er ein neues Gebiet betrat, dessen Ausgangspunkt nicht Gedanken und Worte, sondern die Namen bildeten – eine Wissenschaft vom Sprechen. Er betrachtete „Sprache[…] (als) das eigentliche Wunder der Wirklichkeit! Das Wunder nämlich wodurch wir mit anderen Menschen in eine neue Zeit eintreten können und dadurch eine Geschichte erhalten. Sprache, Zeit, und Geschichte sind für Eugen Rosenstock drei Seiten derselben Wirklichkeit. Dieser ‚Drei-Einheit’ hat er sein ganzes Leben gewidmet.”13

1912 erfolgte auch seine Berufung als Privatdozent für Deutsches Privatrecht und Deutsche Rechtsgeschichte an die Universität Leipzig. In diese Zeit fällt seine Begegnung mit dem Hegelphilosophen Franz Rosenzweig. Rosenzweig hörte Rosenstocks Vorlesungen, Rosenstock nahm an Gesprächsabenden zu philosophischen Fragen teil, die Rosenzweig mit seinen Cousins Rudolf und Hans Ehrenberg abhielt. Im Juli 1913 diskutierten Rosenstock, Rosenzweig und Rudolf Ehrenberg gemeinsam über Selma Lagerlöfs Erzählung: Das Wunder des Antichrist. Dieses Gespräch ist als Leipziger Religionsgespräch in die Geschichte des Religionsdialog eingegangen. Es wurde 1916 im Briefwechsel Judentum und Christentum fortgesetzt.14

Exkurs: Das Leipziger Religionsgespräch

‚Meinen eigenen Partner in diesem Dialog des Lebens’15 nannte der Christ Rosenstock seinen Studenten und Freund, den Juden Franz Rosenzweig. Im Leipziger Religionsgespräch vom 7. Juli 1913 begann der Dialog, den Wolfgang Ullmann als „Datum der neuzeitlichen Religionsgeschichte” bezeichnete: „Wir sehen die Bedeutung des Leipziger Religionsgespräches zwischen Rosenstock, Rosenzweig und Rudolf Ehrenberg darin, dass es erstmalig in die Zukunft einer Epoche vorausweist, in der die Gleichung von Gott und Natur, wie sie seit dem 18. Jahrhundert die Religiosität der führenden Gesellschaftsschichten bestimmt hatte, in den Hintergrund trat gegenüber einem Wirklichkeitsbewusstsein, dem die Differenz von Gott, Mensch und Welt in einer ganz neuen Weise evident geworden war.” 16 In Folge dieses Gespräches gab Franz Rosenzweig den Plan der Konversion zum Christentum auf und begann, fortan jüdisch zu leben. Auf die Frage: „Woher aber gewann Rosenstock jene Unüberwindlichkeit, die Rosenzweig zur Bejahung des christlich-jüdischen Schöpfungsglaubens zwang?”17 antwortet Rosenzweig: „Deshalb war ich damals schon durch Rosenstocks mehrfaches Bekenntnis, mit dem doch sein Angriff nur begann, mit einem Schlage entwaffnet. Das ein Mensch wie Rosenstock mit Bewusstsein Christ war […] dies warf mir meine ganze Vorstellung vom Christentum, damit aber von Religion überhaupt und damit von meiner Religion über den Haufen.”18 Ullmann fasst Rosenzweigs Erfahrung, die das Gespräch zum Ereignis der Religionsgeschichte machte, zusammen: „Wie die Christen in Israel eingepfropft sind, so wurzele das Hebräerbriefchristentum Rosenstocks im gegenwärtigen Leben Israels. Ich glaube, damit will Rosenzweig sagen: Wo Paulus eine Einheit von Juden und Heiden (Röm 11 td) lehrt im Blick auf Christus als Ziel des ganzen Ölbaumwachstums, dort leitet der Hebräerbrief uns an, in der Inkarnation, die in der Abrahamnachkommenschaft geschah, den Inbegriff des unauflöslich einen Menschseins zu erkennen. Die von Rudolf Ehrenberg (im Gespräch 1913) ausgelegte Stelle Hebräer 10,25 wird dann zur Warnung, die von Christus gestiftete Menschheitssynagoge nicht zu verlassen. Denn im Blick auf das Eschaton müßte solches Verlassen für den einzelnen wie für die Menschheit katastrophale Folgen haben”19. Dieses Gespräch machte die beiden zu Vätern des interreligiösen Dialoges nach der Nachkriegszeit, des Dialoges der Völker und Sprachen. Im „Jahrtausend des Samariters”, dass Rosenstock ankündigte20 sei „Sprache und nicht Religion die primäre Ebene und das primäre Medium der Relation Gottes und des Menschen […]. Die Sprache ist das Indiz dafür, daß man den Menschen in letzter Instanz nur als den Angeredeten Gottes definieren kann.”21

Weiteres zur Biographie

Im Jahr 2014 veröffentlichte Rosenstock sein zweites Buch Königshaus und Stämme in Deutschland von 1014 bis 1250. Damit katapultierte er sich in die erste Reihe der deutschen Rechtshistoriker, wie Stephan Steinlein feststellte.22 1923 erhielt er dafür den zweiten Doktortitel. In das Jahr 1914 fallen zwei sein Leben bestimmende Ereignisse, zunächst seine Heirat 1915, nachdem er im Februar 1914 in Florenz die Schweizerin Margrit Huessy kennen gelernt hatte. Ihre Ehe währte bis zum Tode Margrits 1959. Das zweite Ereignis war der Krieg. Im Juli 1914 begegnete er auf einer Eisenbahnfahrt von Leipzig nach Kösen Nathan Soederblom, dem Begründer der ökumenischen Bewegung. „Der Krieg lag in der Luft. Wir alle spürten ihn. Soederblom, dieser große und hingebungsvolle Gelehrte, brach in Empörung aus über die Gleichgültigkeit seiner Mitgelehrten: ‚Alle meine Kollegen forschen wie Kierkegaards ‚Kreuzigungsprofessoren’ einfach weiter, und niemand sagt oder tut etwas gegen den Krieg!’ Angewidert von dem entmännlichten Geist der Gelehrtenschaft, der Stagnation und dem Nationalismus der Kirchen, gab er noch im selben Jahr seine Professorenstelle auf, wurde Erzbischof und arbeitete an einem ökumenischen, auch das Patriarchat der Ostkirche umfassenden Konzil. Was die ökumenische Bewegung heute bedeutet, geht alles auf seine enormen Anstrengungen von 1914 zurück.” 23

Mit Beginn des Krieges wurde Rosenstock einberufen und erlebte den Krieg an verschiedenen Fronten bis zum Ende 1918. Er hatte in seiner letzten Vorlesung von den Studierenden gefordert, dass sie für Höheres als den Staat kämpfen müssten. Im Jahr 1915 sandte er von der Front den ersten Entwurf der Geschichte der europäischen Revolutionen an Carl Schmitt. Erst 1931 wurde das Werk ausgearbeitet und veröffentlicht. Ulrich Wehler und Heinrich August Winkler haben es als das wichtigste Buch ihres Leben benannt.

Ab 1916 fand der Briefwechsel mit Franz Rosenzweig seine Fortsetzung. Er wurde über Margrit Rosenstock-Huessy geführt. Franz Rosenzweig und Gritli entbrannten in heftiger Liebe zueinander, die aber nicht zur Trennung von Eugen Rosenstock führte. Rosenstock erlebte tief innerlich das Epochenende. Sein Partner im Dialog des Lebens blieb Franz Rosenzweig, der Nebenbuhler, in dem Rosenstock doch den Bruder fand, der er bis zu Rosenzweigs frühem Tod 1929 blieb. 1917 sandte er eine Abfassung seiner Sprachlehre als Brief an Franz Rosenzweig und in Briefen an Margrit den ersten Entwurf einer europäischen Revolutionsgeschichte als Kapitel der Sprachlehre (Die Verfassung Europas, Die christliche Zeitrechnung).

Der Gründung des Patmos Verlages 1919-1920 mit Weismantel, Rosenzweig, Hans und Rudolf Ehrenberg Werner Picht und anfänglich Karl Barth, lag diese gemeinsame Erfahrung zugrunde: „Das Schicksal des Sprechers und des Schreibers unter ihren eigenen Worten – das ist die neue Frage […]. Das 19. Jahrhundert fragte: Was tut der Denker den Dingen an, die er denkt? Wir fragen: Was geschieht dem Sprecher dadurch, dass er spricht? Und wir antworten, er betritt Neuland; und indem der Mensch spricht, entdeckt er in sich selber den Unterschied von Gott, Mensch und Tier, der allein unser Sprechen wahr und wahrhaftig macht, weil unser Wort sich in unserem Leben bewähren muss.”24 Hier geschah der Bruch mit Barth: „Unsere Frage war: Wie wird der Mensch glaubwürdig? Barths Frage blieb: was lehrt die Kirche? Dass wir einen neuen Anfang erlebten, der eine endlose Zukunft eröffnete, ein drittes Jahrtausend, widersprach seiner These, dass die Offenbarung ein für allemal abgeschlossen sei. Dass wir den Menschen, die nicht mehr auf die Kirche hörten, weder theologisch noch philosophisch kommen dürften, verstand er einfach nicht.”25 Rosenstock veröffentlichte im Patmos 1920 das Buch: Die Hochzeit des Krieges und der Revolution.26 In dem Kapitel „Ehrlos-heimatlos” prophezeite er: „Wir werden den Versuch eines Lügenkaisertums durchzumachen haben, weil diese Kräfte nicht rasten werden, bis sie widerlegt sind. So wird dieser Kirchen-, Parteien- und Stammespferch Deutschland durch sie in eine Hölle verwandelt werden. […] Der Nationalist hasst den Demokraten, den der Ehrverlust nicht genug brennt, der Demokrat hasst den Nationalisten, den die Not des Landes nicht genug rührt. […] Aber wir wollen nichts sein, als das kurze Kabelstück, welches den Riß zwischen gestern und morgen gläubig überwindet.”

Nach Kriegsende 1918 lehnte Rosenstock seinen Worten folgend und abgestimmt mit seiner Frau drei attraktive Angebote ab: Rudolf Breitscheid wünschte ihn als Unterstaatssekretär für die Erarbeitung einer neuen Verfassung; Carl Muth bot ihm die Mitherausgeberschaft der katholischen Zeitschrift Hochland an, und die Universität Leipzig offerierte eine Professorenstelle. Diese Ämter gehörten für ihn zu den Reproduktionsorganen der vergangenen Epoche. Von Juni 1919 bis August 1920 arbeitete Rosenstock deshalb als Redakteur der Daimler-Werkzeitung. Seine Partner waren Paul Riebensahm, Vorstandsmitglied von Daimler, und der Arbeiter Eugen May, der feststellte: „Der Arbeiter als Arbeiter wird nicht geliebt! Anders gesagt: Er wird als Arbeitskraft, als Funktion, als zu berechnendes Ding behandelt. Der Arbeitslose scheint ihm der menschliche Mittelpunkt aller sozialen Fragen unserer Zeit.” Rosenstock hat diese Erfahrungen im Buch Werkstattaussiedlung27 dargestellt. Später formulierte Rosenstock vor dem Hintergrund seine Industriesoziologie The Multiformity of Man (dt.: Der Unbezahlbare Mensch,1955).28 Es konnte das abgebrochene Gespräch unter den Menschen im Betrieb damit wieder in Gang zu setzen.

Rosenstock gründete 1920 die Akademie der Arbeit in Frankfurt und wurde deren erster Leiter(1921). Sie sollte eine Bildungsstätte für erwachsene Arbeiter werden, gegründet auf der Grundlage des Gespräches. Diese Institution sei zu früh ins Leben gerufen und daran gescheitert, dass Das Erlebnis noch nicht erlebt genug war, die Zeit der subjektiven Mitteilung war noch nicht erfüllt, und die Arbeiter noch Wissen als Macht wollten.

1923-1933, Trajekt – Institutionen aus dem neuen Glauben

1925 änderte er seinen Namen in Rosenstock-Huessy und folgte damit Schweizer Tradition. Sein Sohn führte den Namen Huessy. Möglicherweise lag darin auch eine Schutzmaßnahme vor dem wachsenden Antisemitismus. Einen großen Teil seiner Kraft widmete Rosenstock-Huessy in dieser Periode der kritischen freien Volksbildung als „Internationaler Friedensmacht”. Diese Arbeit diente dem Ziel das „Lügenkaisertum” zu verhindern. Hans Peter Veraguth nennt den Patmoskreis „das kritische Gewissen der Weimarer Volksbildung” und Rosenstocks Arbeit die „Konzeption einer global ausgerichteten Erwachsenenbildung: Überleben, Befreiung und Integration zur einen Weltgemeinschaft.”29

Die wichtigste Institution der neuen Erkenntnis wurde das freiwillige Arbeitslager für Arbeiter, Bauern, Studenten. In der oben genannten Denkschrift ein Landfriede war dieses Format programmatisch entworfen worden. Gerade in der Zeit der Hochkonjunktur konnte es sich gut durchsetzen, „nicht weil alle Welt danach verlangte, sondern weil alle Beteiligten Sehnsucht nach einer anderen Welt verspürten.”30 Sie zeichneten sich dadurch aus, dass Menschen verschiedener sozialer Milieus und Klassen bewusst zusammengeführt wurden. „Indem die Lager einen Wechsel zwischen Leib. Seele, Geist achten lehrten, machten sie das Geheimnis, wie das Wort Fleisch wird, wieder offenkundig. Deshalb sind sie die dem Wort zugeordnete Institution der Erneuerung. Sie sind der Feiertag eines Menschengeschlechts, das sowohl den Sabbath wie den Sonntag, die Kirchenfeste und die Volksfeste im Anprall der Maschine verlernt hat und das sich doch wieder vor seinem Schöpfer ebenbildlich darstellen und begeistert niederwerfen muß.”31 Als 1929 die Weltwirtschaftskrise kam, fand die Einrichtung der freiwilligen Arbeitslager große Resonanz auch außerhalb Deutschlands. Rosenstock-Huessy wurde zum Vice-Chairman des Weltbundes für Erwachsenenbildung gewählt. Verfälscht wurde sie dann zum Arbeitsdienst für Arbeitslose, oder gar Pflichtdienst für Arbeitslose, wovon Rosenstock-Huessy sich deutlich distanzierte.

Rosenstocks Verhältnis zum Kreisauer Kreis und den Zeugen des Widerstandes

Die wichtigste Frucht der Arbeitslager bildet der Kreisauer Kreis. Ohne Rosenstock-Huessy hätte es die freiwilligen Arbeitslager und den daraus gewachsenen Kreisauer Kreis nicht gegeben (Stephan Steinlein). Zu Recht nannte Walter Hammer ihn deshalb Erzvater des Kreisauer Kreises.32 Hier kamen Helmuth James von Moltke, Horst von Einsiedel, Yorck von Wartenburg, Julius Leber, Adolf Reichwein, Mierendorff, u.a. zusammen. Die Kreisauer begriffen Hitler als Intermezzo, für die Vorbereitung der Zeit nach Hitler wurden sie ermordet. Rosenstock-Huessy nannte Helmuth James von Moltke und Dietrich Bonhoeffer nach ihrer Ermordung 1945 deshalb ausdrücklich die „legitime deutsche Regierung zum Zeitpunkt ihres Todes.” Er machte das Weiterleben des deutschen Volkes abhängig von der Erinnerung an diese und andere Blutzeugen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Sein Enkel Mark Huessy hat die Bedeutung der Kreisauer im Sinne Rosenstock-Huessys so beschrieben: „Was uns heute in Amerika, Europa oder Afrika an die Kreisauer bindet, ist die Notwendigkeit, dem Verfall der Sprache ein Ende zu setzen. Darauf zielte das Kreisauer Konzept der kleinen Gemeinschaften. Dagegen setzen heute, seien es Parteiorgane oder advertising agencies (Werbeagenturen) – rationalistisch gewurzelte Gesellschaftsstrukturen – die freie Sprache aufs Spiel. Vom Nationalsozialismus bis zur Industriegesellschaft – oder dem sturen Anti-kommunismus – haben alle auf ihre eigene Art versucht, mittels ihrer Strukturen die Sprache, besonders die politische Sprache zum zweckbestimmten Werkzeug zu degradieren und sie in diesem Zustand einfrieren zu lassen.”33

Leider sind sich Dietrich Bonhoeffer und Rosenstock-Huessy nie begegnet, wie Bonhoeffers Schwester Sabine Leibholz-Bonhoeffer schreibt. Sie sieht die beiden als „Zeugen der Wende in unserer Zeit”.34 Bonhoeffers Erwartung: „Der Tag wird kommen, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, daß sich die Welt darunter verändert und erneuert. Es wird eine neue Sprache sein, vielleicht ganz unreligiös, aber befreiend und erlösend, wie die Sprache Jesu, daß sich die Menschen über sie entsetzen, und doch von ihrer Gewalt überwunden werden, die Sprache einer neuen Gerechtigkeit und Wahrheit, die Sprache, die den Frieden Gottes mit den Menschen und das Nahen seines Reiches verkündigt.”35 sah sie im Lebenswerk Rosenstock-Huessys erfüllt.

1931 formulierte er bis heute wichtige Orientierungen für Schule und Ausbildung in einer Denkschrift für die Deutsche Schule: „Die Umkehr in der Ausbildung. Richtlinien zur Lebensgestaltung und Einrichtung der Ausbildung im Zeitalter der permanenten technischen Erneuerung mit seiner inhärenten Arbeitslosigkeit‟36 Im selben Jahr veröffentlichte er sein Werk Die Europäischen Revolutionen Volkscharaktere und Staatenbildung,37 das dem Krieg entstammt. Er schreibt dazu 1931 im Vorwort: „Ehe nicht der Weltkrieg die Lehre der Völker erneuert hat, eher dürfen die Gelehrten nicht demobil machen. […] Der Historiker darf ja nicht vergessen, dass sich die Völker ihre Geschichte zuerst und vor allem selber schreiben. In ihren Gedenktagen, ihren Vorurteilen, ihren Ausdrücken und Ämtern wird den wichtigen Ereignissen Dauer verliehen und die ursprüngliche Quelle sprudelt so ewig fort als wahrste geschichtliche Quelle.” Die Rezeption dieses Werkes über den Zusammenhang der Revolutionen Europas und den Selbstmord Europas ist bis heute not-wendend, denn ohne Erinnerung keine Zukunft.

1933-1943 Objekt – frei vom Auftrag

Als 1933 Hitler gewählt worden war, da erfüllte sich die Prophezeiung des „Lügenkaisertums” von 1919. „Die Profetie überbrückt jenes immer furchterregende Zeitalter, in dem der Geist enteignet und entäußert wird. Enteignung und Profetie halten sich die Waage!”38 Rosenstock-Huessy schreibt: „wenn das Denken nicht einfach als Selbstgespräch gilt, dann ist das, was ich denke, wichtiger als das, was ich zu jemandem sage. So wollten es die Gelehrten. Und die Impotenz der Gelehrten gebar das Tier aus dem Abgrund. Hitler war die Antwort des nun allen Denkens enthobenen Volkes. Angebrüllt werden ist besser als objektiv ausgedacht werden. Denn das Böse, das aus dem Herzen kommt, hat Luther gesagt, ist immer noch lebenspendender als das Gute, das aus dem Kopf stammt.”39 Er schrieb einem Freund in USA: „Deutschland hat seine 400 Jahre seit der Reformation ausgespien”40 Damit war seine Aufgabe beendet. Das ist ein Sterben – der vierte Akt in der Konjugation des Ereignisses. Nicht beendet jedoch war die Gewissheit, dass die neue Epoche kommen wird. Seine bisherige Rolle darin war beendet.

Rosenstock wanderte 1933 in die USA ein. Dieses bewusste Einwandern unterschied ihn von vielen deutschen Emigranten, die nicht frei waren für die Wahrnehmung Amerikas. Dabei war er ungewiss ob er dort eine neue Aufgabe finden würde. Da er seit seiner Jugend fließend Englisch sprach und Kontakte in die USA gepflegt hatte, fand er 1934 Gelegenheit zu zwölf unbezahlten Vorlesungen an der Harvard Universität zu The Revolutions in Western Civilization”. Darin wiederholte er nicht einfach seine Europäischen Revolutionen. Er hat sie neu aus amerikanischer Erfahrung und Perspektive gehalten. Ausgehend von der Erfahrung des gegenwärtigen Lebens seiner Studierenden erschließt er deren Wurzeln. 1938 hat er diese Arbeit in dem Buch Out of Revolution – Autobiography of Western man41 veröffentlicht. Dasselbe liegt jetzt in deutscher Übersetzung von E. Wilkens vor. 1934 folgte seine Familie in die USA, sie lebten in Boston. Ehefrau Margrit arbeitete ab 1935 als Lehrerin in der Putney School in der Nähe von Brattleboro.

1934/1935 erhielt er die Kuno Francke Professur für German Art and Culture. Es folgten noch weitere Vorlesungen in verschiedenen Fakultäten in Harvard bis 1936. So hielt er ein Kolleg über Religion in modern Society und Einwände gegen das Christentum. Seine Schlussvorlesung handelte vom Gebet. 1935 folgte die Lowell Lectures in Boston: The Inheritors of Industry. Ecodynamics of a Mechanized World. Veröffentlicht 1936 als The Multiformity of Man ;1955 dt. „Der unbezahlbare Mensch”). Im selben Jahr wurde er an das Dartmouth College in Hanover berufen, nach New Hampshire als Professor für Social Philosophy. Dort wirkte er bis 1957. Seine „Jungfernrede” in Dartmouth titelte er: The Uni-versity of Logic, Language, Literature. A Programm for Collaboration. 1936 vertrat er seine Ehefrau Margrit während ihrer Europareise in Putney. 1938 bezogen sie ihr neues Haus in Norwich, Vt., genannt „Four Wells‟. Der Name weist hin auf die 4 Sprachstromquellen. 1939 Begann er sein Engagement mit Stuierenden von Harvard und Dartmouth für einen freiwilligen Arbeitsdienst, der das Civilian Conservation Corps (CCC) reformieren sollte. Präsident Roosevelt forderte 1940 die Errichtung von Reform-CCC-Camps in Sharon, Vt. mit Eugen Rosenstock-Huessy als Supervisor. Rosenstock-Huessy fand hier die Wurzeln in der US-Geschichte. Bei Anwesenheit der Söhne William und Alexander von William James und vielen Ehrengästen erhielt das Camp in den Namen „Camp William James”. Die Ansprache Eugen Rosenstock-Huessys trägt den Titel: „The Soul of William James”. Sie ist zusammen mit dem Testament von William James: A Moral Equivalent of War 1995 von der Eugen Rosenstock-Huessy Gesellschaft veröffentlicht worden.42 1941 erhielt er die Staatsbürgerschaft der USA. Dennoch machte Rosenstock-Huessy die Erfahrung, in den USA als Deutscher stigmatisiert zu werden. So wurde beispielsweise auch die Förderung des Camp William James eingestellt. Dank des Engagements von Mitbrügern konnten er und seine Familie diese Zeit überstehen. Ähnlich erging es ihm in der Zeit Mc Carthys. Da wurde er verdächtigt Kommunist zu sein.

Die Jahre von 1943 bis 1950 sind durch intensive Briefwechsel und wichtige Publikationen gekennzeichnet: 1943/44 formulierte er in 21 Briefen an Studentin Cynthia Harris eine ersten Fassung seiner universalgeschichtlichen Studien (On Tribe, Egypt and Israel in Order to Find Direction in Our Era) Der Brief Hitler und Israel oder vom Gebet ist eine komprimierte Fassung seiner Sprachlehre und der Kritik an der rationalistischen Sprachzerstörung. Er enthält die Prophezeiung eines letzten Hitler für 2010.43 Das Buch The Christian Future Or the Modern Mind Outrun (1946). Ist „die Hagebutte, die unansehnliche, aber gediegene Kernlehre.” Es wurde 1955 deutsch herausgegeben und neu übersetzt 2015.44

1944 verfasste er die Denkschrift Mad Economics or Polyglot Peace zur Frage, was mit Deutschland nach der Zukunft nach dem Ende des „Dritten Reiches”. 1946 wurde Rosenstock-Huessy für die Leitung einer Europäischen Akademie zusammen mit Klaus von Bismarck in Vlotho vorgeschlagen. 1949 hielt er die Vorlesung: America’s Contribution to Philosophy; besuchte Freya von Moltke Four Wells anlässlich einer Vortragsreise durch USA. Ab 1950 war Rosenstock-Huessy neben seiner Tätigkeit in Dartmouth und Vorlesungen an anderen US-Universitäten häufiger in Europa, auch Deutschland. Er publizierte wichtige Werke in deutscher Sprache wie die Soziologie in 2 Bänden und später die Sprache des Menschengeschlechts. In diese Zeit fällt auch die neue leidenschaftliche Begegnung mit Freya von Moltke.

1950 reiste er mit Ehefrau Margrit und Studierenden nach Ägypten. Dort erhielt er eine Gastprofessur an der American University at Cairo. Es folgte eine Gastprofessur in Göttingen. In diese Zeit fällt auch die Bekanntschaft mit Sabine Leibholz-Bonhoeffer, mit Gerhard Leibholz und deren Töchtern. Ein Aufenthalt in Genf führte ihn in das Ökumenisches Institut, Chateau de Bossey zu einer Konferenz: The Significance of Sociology for the Strategy of the Church. Sein Vortragsthema lautete: What is new about Sociology?

Es folgten: 1951 Der dritte Weltkrieg, in: Frankfurter Hefte 6; Die jüdischen Antisemiten oder die akademische Form der Judenfrage, in: Frankfurter Hefte 6; Der Atem des Geistes erschienen; Martin Buber las zu der Zeit am Dartmouth College über Religion and modern Philosophy. Er wohnte in Four Wells. 1952 Eden Theological Seminary in Webster Groves bei St. Louis: Vorträge über Liturgical Thinking versus Theology or Escape from or Entry into History; „Heilkraft und Wahrheit. Konkordanz der politischen und der kosmischen Zeit” erschienen; Gespräche mit Abraham Heschel; Europareise nach Deutschland und in die Schweiz; Von August bis November 1952 war Rosenstock Berater für Erwachsenenbildung in Bayern, nahm an zahlreichen Tagungen und Seminaren teil. 1952.nahm er e an der Unesco International Conference in Hamburg teil (Vortrag: Die Heimkehr der Gesellschaft).

1953-1957 hielt er Vorlesungen, u. a. Cross of Reality, Universal History, Circulation of Thought, Hinge of Generations, Greek Philosophy,„Tribalism‟, Before and after Karl Marx, The Four Disangelists, Eternal Horizons of Mankind: Diversity in History, und Comparative Religion, Besonders nenneswert ist eine Vorlesung von 1955, die er nur ein Mal hielt: „Comparative religion is only possible if you admit that the elements of religion are everywhere, with all people all the time… I try to lay the groundwork here so that people will – may understand what religion is…”45

Schließlich erkrankte seine Frau Margrit an Krebs. 1957 konnte sie drei Wochen zur Erholung in Italien im Haus Hans Deichmanns, des Bruders von Freya von Moltke, verbringen. Die Vortragstätigkeit und sein vielfältiges Engagement gingen weiter.46 1959 erfolgte die zweite Krebsoperation der Gattin. Eugen war täglich am Krankenbett und hielt Nachtwachen. Am 1. Sept. 1959.verstarb Margrit im Krankenhaus in Burlington, Vt. Und wurde auf dem Friedhof von Norwich, Vt. Begraben. Rosenstock traf Freya von Moltke in Boston, diese wiederum kam nach Four Wells. Schließlich zog Freya von Moltke nach Four Wells und blieb dort bis zu ihrem Tod 2010. 1959 erfolgte eine Flugreise nach Yukatan, Mexiko, zum Studium der Maya-Kultur.

1960 erhielt Rosenstock das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Es folgte eine Europareise (Holland, Deutschland, England, Schweiz), bei der er auch den Heidelberger Arzt und Rabbiner Dr. Sprecher, einen Überlebenden von Auschwitz traf. 1961 begann Rosenstock die Beschäftigung mit persischen Texten Zarathustras.47 Eine weitere Europareise führte ihn nach Mailand, Heidelberg, Wangen am Bodensee (Kolloquium „Katechismus für Erwachsene”), nach Canossa mit Caspar Helmuth und Freya von Moltke. Als die Berliner Mauer gebaut wurde, beklagte er die Phantasielosigkeit der westlichen Politik. 1963 fand die Gründung der Eugen Rosenstock-Huessy Gesellschaft in Bethel zum 75. Geburtstag Rosenstocks statt. Er hielt vier Rundfunkreden über Weltfriedensdienst statt Weltbürgerkrieg. Zu dieser Zeit erfolgte die Auslieferung des ersten Bandes von Die Sprache des Menschengeschlechts. 1964 folgte dann der zweite Band, wieder bei einer Europareise.

Aus der reichhaltigen Tätigkeit zwischen 1967 und 197248 besonders erwähnenswert ist eine in Four Wells abgehaltene Konferenz über jüdisch-christlich-islamische Probleme im Jahr 1967. Bas Leenman, der ebenfalls in die USA ausgewandert war, wurde in späten Lebensjahren zum engen Freund von Rosenstock-Huessys. Er wird auch der Johannesjuenger genannt. Leenman besuchte Rosenstock-Huessy in diesen Jahren bis zu dessen Tod jede Woche. Eugen Rosenstock-Huessy starb 1973 in seinem Haus in Four Wells, Norwich, Vermont, im Beisein von Bas Leenman und Freya von Moltke, von Hans, Collin und Mariot R. Huessy sowie Ada Deichmann. Sein Grab mit dem Grabspruch Joh. 1,14 befindet sich neben dem seiner Ehefrau auf dem Friedhof von Norwich, Vt. Ein früherer Versuch, seinen Grabstein zu beschriften, lautete: „I tried to love, not always knowing how; I never bluffed, and I discovered ‚Thou’.‟

(zuerst veröffentlicht in: Petrus Bsteh, Brigitte Proksch (Hg.) Wegbereiter des interreligiösen Dialogs Band II, ISBN: 978-3-643-50890-4, Reihe: Spiritualität im Dialog, Bd. 10, LIT Verlag Wien – Zürich – Berlin u.a. 2019)

  1. Eugen Rosenstock-Huessy (ERH): Sprache des Menschengeschlechts Bd II, s.478 

  2. Bas Leenman: Verhüllte Ferne 1993 

  3. Ich bin ein unreiner Denker in Stimmstein 1 1987, s.43f. 

  4. Bas Leenman: Verhüllte Ferne, 1993 

  5. Ko Vos 9f cf Soziol. II,59f 

  6. Ja und Nein,58f 

  7. Ko Vos Eugen Rosenstock-Huessy Eine kleine Biographie, Aachen 1997, s.8 ISBN 3-8265-3153-1 

  8. Gottfried Hofmann Agenda Chronik 9 

  9. Ja und Nein 61 

  10. Ko Vos Aao 12 

  11. Fritz Herrenbrück Eugen Rosenstocks Taufdatum unveröff. Ms. 

  12. Ja und Nein 99 

  13. Ko Vos Aa0 10 

  14. In: Franz Rosenzweig: Briefe, 1935 s.641-720, Schocken Verlag Berlin 

  15. Ders: Ja und Nein 

  16. Wolfgang Ullmann: Die Entdeckung des neuen Denkens, in: Stimmstein 2, Brendow Verlag 1988, s.148ff isbn 3-87067-338-9 

  17. aao154 

  18. Franz Rosenzweig: Briefe, 1935 Nr.72) 

  19. aa0 156 

  20. So H.J. Schulz in Mittlg. ERH Gesellschaft, 11/1969 

  21. Zit.n. stimmstein 2, 174f. 

  22. Vortrag Eugen Rosenstock Huessy und Kreisau, Krzyzowa 2011 

  23. ERH Des Christen Zukunft oder: Wir überholen die Moderne, Agenda Münster 2015, s.288 

  24. ERH: Rückblick auf die Kreatur, in Die Kreatur, hg.Forum Guardini 2003, s.215ff 

  25. Ja und Nein 81f 

  26. Zit. n. MS. Ediert von Dr.E.Wilkens, 

  27. Werkstattaussiedlung. Untersuchungen über den Lebensraum des Industriearbeiters, 1922, Reprint Moers Brendow Verlag 1997 isbn 3-87067-629-9 

  28. Jetzt in: Unterwegs zur planetarischen Solidarität, hg Rudolf Hermeier, 2006, Agenda Münster 

  29. Erwachsenenbildung zwischen Religion und Politik – Die protestantische Erwachsenenbildungsarbeit in und außerhalb der freien Volksbildung in Deutschland von 1919 bis 1948, Deutscher Volkshochschulverband eV, Bonn 1976, Klett Cotta 19792

  30. Ja und Nein 84f 

  31. Aao Ja und Nein, 85f 

  32. Cf.Ger van Roon: Neuordnung im Widerstand. Der Kreisauer Kreis…, München 1967/s.a. Sabine Friedrich: Wer wir sind Der Roman zum deutschen Widerstand, 2012 

  33. In Mark Huessy: Kreisau, Rosenstock-Huessy und Friedensdienst – Mad Economics or Polyglot Peace,1993, s. 149ff 

  34. Universitas, April 1966; OJC Nr.141 1992 

  35. Widerstand und Ergebung, 19717:, s.153 

  36. guide 81 Archiv Bethel 

  37. Jena 1931; 2.überarbeitete Auflage 1951; 3.Auflage 1960, Neudruck der dritten Auflage 1987 isbn 3-87067-301-x 

  38. Ja und Nein 89 

  39. Ja und Nein 56 

  40. Zit.n.G.Hoffmann aao 

  41. Erschienen 1938, 2.Auflage 1966, 3.Auflage 1969 Argo Books 

  42. Beiheft stimmstein 2, isbn 3-89376-044-x 

  43. 1945 in Journal of Religion 2; neu: Beiheft stimmstein, 1992, isbn 3-89376-023-7Weitere Tätigkeiten: 1954 Laodizee – Wie rechtfertigt sich ein Volk?, in: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt 1956 Fertigstellung von Frank-reich Deutsch-land; Deutschlandreise als Gast der deutschen Bundesregierung: Vorträge und Seminare in Bad Boll, Berlin, Bethel, Hamburg: Bad Boll: Vortrag Evozieren und Revozieren oder Die Auflockerung der sozialen Fronten als christliche Aufgabe 

  44. Des Christen Zukunft oder: Wir überholen die Moderne, Münster 2015, isbn 978-89688-524-1 

  45. Soziologie I bei Kohlhammer erschienen; 1956.06.18. Wiederbegegnung mit Freya von Moltke – Gedicht an Freya; Gedicht: Für Freya Moltke: „Die Tagzeiten des Lebens‟; 1956.11.12. Diskussion in Four Wells mit internationalen Teilnehmern über Nah-Ost-Probleme. 1957 Letzte Vorlesung am Dartmouth College (11.2.23.4.): „Universal History”, Ehefrau Margrit unter den Hörern; Europareise: Vorträge und Tagungen in Loccum, Arnoldshain, Bonn, Bethel, Vlotho, Dortmund, Bochum, mit Freya von Moltke in Den Haag, Besuche in Delft, Nordholland, Friesland 1957.05.01.-.08.08.1.Gastprofessur in Münster: „Zeitsinn und Sprachkraft und ihre Lähmung durch die Gesellschaft” als Vorlesung für Hörer aller Fakultäten. Vortrag in der Evangelischen Akademie Loccum Die Einheit des europäischen Geistes, Rede über Hamann im Hamannstift(Münster), Gast bei einer Sitzung des Grundsatzausschusses der Schulkammer der Evangelischen Kirche von Westfalen in Münster; Griechenland: Reise mit Freya von Moltke; Christliche Studententagung Schloss Brühl, 3 Vorträge Der zeitraubende Charakter der zeitsparenden Methoden”(Elend und Herrlichkeit der Zeit); Künftige Widersacher der Kirche oder Europa ist nicht mehr die nette Mitte der Welt, in: Die Welt; Evangelische Akademie Arnoldshain Die weggelaufene Eschatologie: Zur Frage der christlichen Heilserwartung; Treffen mit Günter Howe; Vortrag in der Pädagogischen Akademie Dortmund Sprache und Geschichte; Tagung in Vlotho/Weser: „Ende oder Wende des europäischen Geistes?‟; 

  46. 1958 Vortrag an der Drew University, Madison, New Jersey: The Future in Theology and the Future of Theology; Europareise: Italien, Deutschland, Schweiz, Jugoslawien: Zweiwöchiger Aufenthalt in Monterosso al Mare bei La Spezia mit Freya von Moltke, Treffen mit Freyas Söhnen Konrad und Helmuth Caspar von Moltke, mit Wilhelm Viggo von Moltke, Asta und Carl Deichmann und Daphne Deichmann; Zweite Gastprofessur in Münster (Fulbright Award): Die Gesetze der christlichen Zeitrechnung, 6.5. -16.7.; Stuttgart: Vortrag über die Dialektik von USA und Deutschland; Erste Begegnung mit niederländischen Freunden (u.a. Bas und Wim Leenman) in Münster; Ehefrau Margrit in Deutschland, am 9.6 in Brüssel zusammen mit Freya von Moltke; Arbeitstagung in der Evangelischen Akademie Arnoldshain: Referat Bestimmung der Wirtschaft in einer revolutionierten Welt, Vortrag: Die menschlichen Voraussetzungen einer produktiven Wirtschaft; 10.09.58 Rede in der Aula der Uni Frankfurt/M Die westliche Welt am Scheideweg” faz 12.9.58 ; Das Geheimnis der Universität im Buchhandel; Soziologie II im Buchhandel;1959 Europareise: Schweiz und Deutschland: Rede in der Frankfurter Paulskirche: Initiativen zum Weltfrieden: Industriealltag -Friedensdienst – Sabbat (= Friedensbedingungen einer Weltwirtschaft ); An die Russen – Naturforschung oder Gesellschaftslehre?, in: Frankfurter Hefte 14, 1959 Vorlesungen in der University of California at Santa Cruz „American Social History”, „Historiography‟ ( 24.2.26.5.), 136 Bibelstunden für Erwachsene nach den Gottesdiensten, 

  47. Sprache des Menschengeschlechts Bd. II, s. 745 

  48. 1967 – 1972: 1968 Versand von Ja und Nein. Autobiographische Fragmente; Die Umwandlung des Wortes Gottes in die Sprache des Menschengeschlechts erschienen; Konferenz über Judentum und Christentum in Four Wells; Freude über Hermann Jakobs Aufsatz Der Volksbegriff in den historischen Deutungen des Namens Deutsch (in: Rheinische Vierteljahresblätter 32, 1968, 86-104). 1969 Judaism Despite Christianity Übersetzung des Briefwechsels mit Franz Rosenzweig von 1916. 1968 Dienst auf dem Planeten veröffentlicht. 1970 Gründung des Rosenstock-Huessy Huises in Haarlem (Wohn- und Lebensgemeinschaft).