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Mitgliederbrief 2023-05

Eugen Rosenstock-Huessy Gesellschaft e.V.

„Hineingerissen in den Herzschlag der Zeit, müssen wir uns mit dem polaren Gegensatz von Volk und Staat abfinden. Denn er ist der Gegensatz zwischen Kristall und Flüssigkeit, vielmehr zwischen Ordnung und Freiheit, der jedes einzelnen Europäers Leben durchwirkt. In uns selbst tragen wir alle diesen Riß, diesen Spalt, der den Rhythmus, die Spannung und die Melodie unseres Lebens erzeugt. Wir müssen beides wünschen, wollen und werden, Volk und Staat, ein jedes aber in selbständig sich vollendender Gestalt. Ein flüssiges Eis, eine starre Flut sind nicht zu haben auf Erden. Ein sommerlicher Winter, ein winterlicher Sommer bringen Seuche und Dürre über das Land. So verwildert und zersetzt bloße Volkshaftigkeit den Staat, und bloße Staatlichkeit tötet ein Volk. Verschärfung der Gegensätze und ihre Erhaltung – das allein ist Leben im Sinne Europas.
Viel Vernunft und viel Unberechenbarkeit,
viel Ordnung und viel Freiheit,
viel Kirchentum und viel Christentum,
viel Objektivität und viel Subjektivität,
viel Sozialismus und viel Individualismus in deutlicher und reinlicher Entfaltung ist die Aufgabe der europäischen Kultur.
Viel Volk und viel Staat ist der Widerspruch, durch den unser Leben seinen Reiz und seine Einzigartigkeit erhält. Weil nur der Widerspruch zwischen Flüssigkeit und Starrheit uns trägt, muß der Volksstaat, in dem sich jeder eins fühlt mit seinem Staat, in dem Staat und Volk sich nicht aneinander reiben, in jenes Rousseausche Paradieseszeitalter der Unschuld verwiesen werden, dessen Nachhall er ist.” Eugen Rosenstock-Huessy, Volksstaat und Reich Gottes, 1918

Vorstand/board/bestuur: Dr. Jürgen Müller (Vorsitzender);
Thomas Dreessen; Sven Bergmann; Dr. Otto Kroesen
Antwortadresse: Jürgen Müller, Vermeerstraat 17, 5691 ED Son, Niederlande,
Tel: 0(031) 499 32 40 59

Brief an die Mitglieder Mai 2023

Inhalt

  1. Einleitung - Jürgen Müller
  2. Einladung zur Jahrestagung - Jürgen Müller
  3. Eugen, Georg, das Archiv, die Gesellschaft - Sven Bergmann
  4. In Memoriam Eckart Wilkens - Gottfried Hofmann
  5. Freundschaft, ein Leben lang - Sven Bergmann
  6. Was nötig ist –- Brückenbauen, Bürgerdiplomatie, Volksdiplomatie - Thomas Dreessen
  7. Weltgeltung und Kulturbedeutung - Sven Bergmann
  8. Adressenänderungen - Thomas Dreessen
  9. Hinweis zum Postversand - Thomas Dreessen


1. Einleitung

Liebe Mitglieder, liebe Freunde,

Zusammenarbeit trotz Gegensätzen und Kritik ist im Laufe des letzten Milleniums zu einem Kennzeichen westlicher Kultur geworden. Eugen Rosenstock-Huessy und Franz Rosenzweig hatten einen rücksichtslosen brieflichen Schlagabtausch über Judesein und Christsein, liebten die gleiche Frau, aber brachen die Beziehung nicht ab und blieben Freunde. Dieser Brief enthält einige Beiträge die gleiches bezeugen. Lassen Sie sich inspirieren dies in Ihrem eigenen Umfeld weiterzutragen.

Jürgen Müller

2. Einladung zur Jahrestagung

Liebe Mitglieder und Freunde,

zu unserer Jahrestagung unter dem Thema: „Georg Müller, eine Brücke ins Werk von Eugen Rosenstock-Huessy” von Donnerstag 5. bis Samstag 7. Oktober 2023 in Marbach möchte ich Sie ganz herzlich einladen. Der Beginn schon am Donnerstagabend gibt uns die Gelegenheit am Freitag für eine Führung im Literaturarchiv. Der 50-ste Todestag Eugen Rosenstock-Huessys, der 45-ste Todestag Georg Müllers und das 60-jährige Bestehen unserer Gesellschaft in diesem Jahr sind gute Gelegenheiten zu einer Bestandsaufnahme und einem Ausblick der Arbeit mit dem Erbe Rosenstock-Huessys. Die jährliche Mitgliederversammlung wird im Rahmen der Jahrestagung stattfinden. Eine formelle Einladung wird Ihnen noch zu gehen.

Jürgen Müller

3. Eugen, Georg, das Archiv, die Gesellschaft

Metamorphosen eines Bestandes

Mit der Nachkriegsfreundschaft von Eugen Rosenstock-Huessy und Georg Müller wanderte ab Ende der 50-er Jahre ein großer Teil des in Europa verbliebenen Nachlasses nach Bielefeld Bethel.

Rund um seinen 80. Geburtstag sorgte sich Eugen Rosenstock-Huessy um den Verbleib der im „Breslauer Koffer“ vor den Nationalsozialisten geretteten Dokumente. Da er sich 1969 für mehrere Wochen in Deutschland aufhielt, nutzen Georg Müller und sein Schulkollege Karl Heinz Potthast dies am 20. und 21. März für einen Besuch des Hochbetagten in der Heidelberger Bergstraße 161. Eugen Rosenstock-Huessy und seine zweite Lebensgefährtin Freya von Moltke wohnten dort im Obergeschoß des Hauses der Familie Curtius. Bei dieser Gelegenheit übergab er ihnen für das „Archiv“ einen großen Bestand von Briefen und Manuskripten aus der Zeit vor 1933.1 So kamen die Dokumente nach Bielefeld, zunächst in die Wohnung von Georg Müller, dann ins Hauptarchiv Bethel, und später in das landeskirchliche Archiv. Aus dem Koffer verteilte Georg Müller die Archivalien thematisch auf acht Gruppen in Schalen auf seinem Wohnzimmerschrank. Wie schon in Elias Canettis „Die Blendung“ romanhaft beschrieben, sollte die Haushälterin die Sortierung der Papiere nicht in Unordnung bringen. Diese spontane Zuteilung bildete die Grundstruktur des späteren Archivs in Bethel. Nur vor diesem Hintergrund ist es auch zu erklären, daß sich der zentrale Bestand aller Dokumente Eugen Rosenstocks in Kopie oder Original zwar in der Raumer Library des Dartmouth College in Vermont befindet, aber dennoch viele Unikate im Original ausschließlich in Bielefeld, bzw. jetzt Marbach überliefert sind, so auch der Breslauer Koffer im lädierten Original. Weitere Exponate sind eine von Sabine Bonhoeffer-Leibholz, der Zwillingsschwester von Dietrich Bonhoeffer, gestaltete Büste, verschiedene Portraits, aber auch amtliche Unterlagen zur Auswanderung oder Familienpapiere.

Der Nachlasser verband mit dieser Geste die Erwartung, daß der Bestand hier beständiger aufgehoben sei, als als in der Obhut des preußischen Staates: Es ist vor allem mein Freund Georg Müller in Bethel gewesen, der mir dieses Bethel erschlossen hat. Von Bethel hat Bodelschwingh gesagt, es stehe fester als der preußische Staat. So bin ich 1950 in ein Deutschland zurückgekehrt, das durch Bethel repräsentiert wird und das die Kraft hat, selbst den Untergang des preußischen Staates zu überleben.2

In der deutschen nachhegelianischen Sicht auf die Weltgeschichte konnte es keine höhere menschliche Instanz geben als gerade den „Staat“. Der stark von der Jugendbewegung geprägte Georg Müller hatte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg die erste Auflage der „Europäischen Revolutionen“ rezensiert und suchte nach dem Krieg als erster der Besiegten den Kontakt zum Auswanderer in Four Wells, weil er gerade diesem Geschichtswerk eine besondere Bedeutung für die geistige Genesung zuschrieb.3 Mit Bethel verband der Sprachdenker viel mehr als bloß einen beliebigen Aufbewahrungsort für seine Interventionen zur Zeit: „Vor die Schule dieses Bethel traten 1957 zwei seltsame Vögel: Der eine war ein Bethler Abiturient und deutscher Kriminalrat. Er hatte zehn Jahre Zwangsarbeit im sibirischen Workuta überlebt. Der andere war ich, ein 1933 in die Vereinigten Staaten eingewanderter Berliner. Als wir da standen und erzählten, sprachen die drei Menschenarten miteinander, die den „Haftbanden“ des Einzelstaates entsprungen sein müssen, um überhaupt ins Dasein zu treten: das Kirchenglied, der Sträfling, der Auswanderer. Denn Bethel wäre nicht ohne den Geist der Liebe; der politische Kampf wäre nicht ohne den Geist der Hoffnung und die Auswanderung ist unmöglich ohne Glauben. Aber vom Einzelstaat her sehen die drei Menschenarten anders aus: Die Betheler erscheinen als Betschwestern; jeder der „sitzt“, scheint ein Verbrecher; den Einwanderer nennt die Verachtung „Emigrant“. Dem Staatsnationalen sind nämlich diese drei Menschenarten unzugänglich. Dennoch haben Verbrecher aus sibirischen Gefangenenlagern die Sowjetunion geschaffen; aus Emigranten besteht Amerika, aus Betschwestern die christliche Zeitrechnung.“4

Andreas Leutzsch schreibt in seinem Archivportrait „Zwischen Welt und Bielefeld“: „Andererseits sah Rosenstock durchaus in Müller zeitweilig ein alter ego und zollte den Bemühungen Müllers um die Verbreitung seines Werkes Achtung, die in der Beauftragung bzw. Genehmigung zur Sammlung seiner Arbeiten gipfeln sollte. Das Verhältnis von Georg Müller zu Eugen Rosenstock bestimmt somit wesentlich den Charakter der Sammlung.“5 „Die letzten zwölf Jahre brachten mir die Freundeshilfe des Direktors der Bodelschwingh-Schule in Bethel bei Bielefeld, Dr. Georg Müller. Die englischen Manuskripte wanderten zu ihm.6 Der Briefwechsel zwischen Georg Müller und Eugen Rosenstock-Huessy ist paradigmatisch für den Wandel des deutschen Geschichtsbildes im 20. Jahrhundert. Georg Müller genoß das Vertrauen des Autors der „Europäischen Revolutionen“ und warb vor allem in theologischen Zeitschriften, aber auch im „Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie” unermüdlich für dessen Gesamtwerk und insbesondere enthusiastisch für das Sprachdenken seines Korrespondenzpartners. Gleichzeitig war der Schulfreund Fritz von Bodelschwinghs als Gründungsdirektor der Aufbauschule in Bethel in der glücklichen Lage einerseits das „neue Denken“ im Schulalltag zu erproben und andererseits über eine bibliothekarische Ausstattung zu verfügen, die manchen Professor vor Neid hätte erblassen lassen.

So kam es nach dem Aufbau des Eugen Rosenstock Archivs 1963 zur Gründung der Eugen Rosenstock-Huessy-Gesellschaft, deren Vorsitzender Georg Müller bis zu seinem Tode blieb. Frühzeitig hatte er seine Nachfolge geregelt und bei den v. Bodelschwinghschen Anstalten einen Raum in dem historischen ersten Pflegehaus Bethels für das Archiv reservieren können. Kollegen aus dem Kollegium der Aufbauschule rückten nach und nach in Funktionen der Gesellschaft ein. Dabei erwarb sich insbesondere Gottfried Hofmann als vertrauter Mitarbeiter, der selbst die Aufbauschule besucht hatte, kaum zu ermessende Verdienste um Sichtung, Sammlung und Ordnung des Archivs, das sich grob in den in Europa verbliebenen Nachlass von Eugen Rosenstock, der durch weiter Zuwendungen aus Four Wells aufgestockt wurde, die Dokumente der Gesellschaft und ihrer Vorstandmitglieder sowie die Bibliothek von Georg Müller aufteilen läßt. Bei den rund 50 Regalmetern der Bibliothek läßt sich kaum noch unterscheiden, welche Bände Zuwendungen von Eugen Rosenstock sind oder welche Bücher privat oder mit Mitteln der Gesellschaft oder der Aufbauschule angeschafft worden sind. Vor diesem Hintergrund wurde unsere Gesellschaft Anfang 2022 mit der Kündigung ihres Depositums im Landeskirchlichen Archivs in Bielefeld konfrontiert. Aufgrund der begrenzten personellen und räumlichen Kapazitäten müsse sich das Archiv von allen Beständen trennen, die nicht unmittelbar mit ihrem Auftrag verbunden seien. Die Gesellschaft müsse sich bis zum Frühjahr 2023 um eine Archivalternative bemühen. Der Wunsch des Bielefelder Freundes ließ sich nicht länger aufrecht erhalten: „Bücher und Schriften, die mich seit Mitte der zwanziger Jahre auf dem Wege zu Rosenstock-Huessy begleiteten, sind inhaltlich so vielfach verflochten mit den Dokumenten, die mir später Rosenstock mit der Bitte um Aufnahme in das Archiv übergab, daß eine zeitliche oder sachliche Trennung zwischen beiden Gruppen nicht gut möglich ist. Ich halte es daher für richtig, meine geistige Hinterlassenschaft, soweit sie rein literarisches oder fachwissenschaftliches Interesse übersteigt, als „Stiftung“ dem Archiv einzufügen. Bethel, am 29. April 1978, Georg Müller.“7

Nach einer Reihe von Absagen gelang es schließlich mit vereinten Kräften, das Deutsche Schiller-Archiv in Marbach für den Bestand zu interessieren, vielleicht die renommierteste kulturwissenschaftliche Adresse in Deutschland. Allerdings bedeutet die Übernahme in jedem Fall einen markanten Einschnitt, denn Archive übernehmen in der Regel ausschließlich Originale und in keinem Fall Kopien aus Beständen anderer Archive. In jedem Fall würden die in vielen Jahren unermüdlich gesammelten Zeugnisse von dem eigentlichen Nachlass abgelöst werden müssen. Nach einer detaillierten Sichtung des Bestandes und der Abarbeitung des gesamten Findbuches übernahm Marbach vom 22. bis zum 24. Februar 2023 die Archivalien des engeren Nachlasses sowie den Teil der Bibliothek, der für die wissenschaftliche Erforschung von Eugen Rosenstock-Huessy relevant ist und in Marbach noch nicht vorhanden war. Gottfried Hofmann begleitete den Umzug mit seinem umfassenden Sachverstand, aber sicher auch mit dem Gefühl, daß nicht zusammenbleiben kann, was eigentlich zusammen gehört. Am Freitag der Woche wurden die Bestände dann von einem Fahrer eingeladen, um in Marbach erst einmal tiefgefroren zu werden. So wird der Verbreitung von Papierfischen vorgebeugt. Aktuell bemüht sich die Gesellschaft um eine neue Heimat für den verbleibenden Bestand. Dabei handelt es sich einerseits um die Korrespondenz von Georg Müller sowie seinen Nachlass der in den 20er Jahren beginnt, die die Gesellschaft betreffenden Nachlässe ehemaliger Vorstandsmitglieder (zu einem großen Teil Kopien der Werke Eugen Rosenstock-Huessys) sowie die verbliebenen Bände der Bibliothek. Immerhin repräsentiert die Bibliothek eine typische deutsche Gelehrtenbibliothek mit einem Schwerpunkt in der Mitte des 20. Jahrhunderts, die für den dramatischen Wandel des deutschen Geschichtsbildes in dieser Zeit steht. Einschlägige Fachzeitschriften sind ebenso vorhanden wie komplette Serien von Beiheften oder Schriftenreihen. Frucht der Forschungen Georg Müllers ist sein 1950 erschienenes, fast vierhundertseitiges Werk „Last und Trost der deutschen Geschichte. Gedanken zur Erneuerung unseres Geschichtsbildes“ zur Neueren Geschichte (Bielefeld: F.Eilers Verlag). Dabei ist Georg Müller nicht nur einer der engsten Freunde von Eugen Rosenstock-Huessy gewesen, sein Eckermann und Archivar, sondern auch einer seiner gewichtigsten Interpreten über Jahrzehnte! Vier seiner Veröffentlichung führte er vor allem an, als er seinen Freund gegen den Vorwurf des Hegelianismus durch den Juristen Walther Schönfeld verteidigte:

In seiner Replik merkte er an: „In der Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, 71. Band, Germanistische Abteilung, S. 391—407, findet sich eine ausführliche Anzeige der ROSENSTOCKschen Revolutionen durch WALTHER SCHÖNFELD, die leider nicht unwidersprochen bleiben kann. Denn der Einfall, ROSENSTOCK zu einem unwissentlichen Nachfahren HEGELs zu machen, findet in seinem geschichtssoziologischen Werk so wenig Stütze, daß die Antikritik sich auf Gesichtspunkte angewiesen sieht, die gleichfalls mit diesem selbst unmittelbar nichts zu tun haben. Der Kürze wegen geschehe das hier unter den beiden Stichworten Unterlassung und Gewöhnung, wobei das erste sich auf das besondere Verfahren des Kritikers bezieht, das zweite die Problematik unseres wissenschaftlichen Besprechungswesens als solche ins Blickfeld rückt. SCHÖNFELD ist Jahrgangsgenosse ROSENSTOCKs — beide sind 1888 geboren —, und es ist kaum anzunehmen, daß ihm von den zahlreichen Veröffentlichungen des seit 1933 in der Emigration lebenden früheren Breslauer Fachgenossen nur die Revolutionen bekannt geworden sind. Was aber soll man schon zu der ersten Unterlassung sagen: Schönfeld schweigt davon, daß es sich bei dem 1951 bei Kohlhammer herausgekommenen Werk um die Neuauflage eines 1931 bei Diederichs erschienenen gleichnamigen Buches handelt und daß zwischen den beiden deutsch verfaßten Bearbeitungen eine selbständige amerikanische Fassung existiert, die unter dem Titel „Out of Revolution, Autobiography of Western Man” 1938 bei Morrow in New York erschienen ist! Oder wird etwa die Zeitschrift für Rechtsgeschichte nur von Eingeweihten und nicht auch von Studenten und anderen unvoreingenommenen Lesern zu Rate gezogen? Aus der ersten Unterlassung folgt unmittelbar die zweite: die an ein solches Unternehmen zunächst zu stellende Frage, wie weit die Ereignisse des letzten Vierteljahrhunderts gewisse Grundeinsichten des Verfassers bestätigt bzw. ad absurdum geführt haben, wird überhaupt nicht aufgeworfen! Und weiter — das betrifft die dritte Unterlassung: neben den Revolutionen sind seit mehreren Jahren zwei Aufsatzbände ROSENSTOCKs in deutscher Sprache greifbar: Der Atem des Geistes (Frankfurt 1951) und Heilkraft und Wahrheit (Stuttgart 1952). Wer einen flüchtigen Blick in diese Bücher geworfen hat, weiß, daß man ROSENSTOCK alles andere eher anhängen kann als Hegelianismus, dem er übrigens schon im Briefwechsel mit FRANZ ROSENZWEIG (1916) und in dem gemeinsam mit JOSEPH WITTIG herausgegebenen Sammelwerk Das Alter der Kirche (1927/28) den offenen Kampf angesagt hat.“

Daß das Archiv 2023, im 50. Todesjahr des Auswanderers, erneut auf die Reise, aus dem westfälischen Bielefeld ins schwäbische Marbach am Neckar geht, mag ein Zeichen sein; nur die Zeit kann erweisen, ob es sich um eine Etappe handelt oder ob der Koffer sein Reiseziel erreicht hat. Derweil befinden sich noch 191 Archivkartons der Eugen Rosenstock-Huessy-Gesellschaft im Bielefelder Restbestand, plus einer Holzkiste der ehemaligen Mitgliederkartei, mehrere Exemplare verschiedener Bücher, stimmsteine etc, sowie die weiterhin umfangreiche kulturwissenschaftliche Bibliothek.

Sven Bergmann

4. In Memoriam Eckart Wilkens

Dr. phil. Hans-Herbert Eckart Wilkens
7. Juni 1942 – 24. Juli 2020

Die Vergangenheit werde erzählt.
Die Zukunft werde verheißen.
Die Gegenwart werde erkämpft.
Das Tote mag man wissen
Soz. II, 1958, S. 23

Als ich die Nachricht von Eckarts frühem Tode bekam, konnte ich an seine Frau Sigrid am 26. Juli lediglich ein kurzes Beileidsschreiben schicken (vgl. Rundbrief August 2020, S. 13 f). Ich wurde damals gedrängt, einen längeren Nachruf zu verfassen, konnte dem aber nicht folgen, weil es mir unmöglich schien, nach kurzer Zeit bereits Worte zu finden für einen Mann, der seit 1974 mein Leben begleitet hatte in einer Weise, die ich in meiner Chronik beschrieben habe mit dem gewagten Zitat „in Gehorsam und Widerspruch“.

Im Herbst 2022, bei unserer letzten Jahrestagung, sprach mich Dr. Jürgen Müller erneut auf einen Nachruf an, und erst jetzt, im neuen Jahr 2023, will ich nun mit Bangen diesen Wunsch erfüllen: 50 Jahre nach dem Tode Eugen Rosenstock-Huessys und 60 Jahre nach der Gründung der Eugen Rosenstock-Huessy Gesellschaft. Es ist für mich wahrhaftig kein leichtes Unterfangen! Dieser Eckart mit seinen großartigen Begabungen als Pianist und Komponist, als Maler und Lyriker, als verständnisvoller Leser aller Werke Eugen Rosenstock-Huessys – was kann ich zu diesem Mann mir erlauben zu sagen oder gar zu kritisieren ?! Aber es muss wohl sein.

Eckart wuchs in einem gebildeten Elternhaus auf: der Vater erst Bibliothekar, später Pfarrer auf der Hallig Langeneß, einer seiner Brüder und ein Großvater ebenfalls Pfarrer. Lange Zeit wohnte die große Familie mit acht Kindern in Rendsburg, und zwar in der Nähe der bekannten Heimvolkshochschule. Er besuchte die Herder-Schule in Rendsburg, ein humanistisches Gymnasium, machte am 6. Februar 1962 Abitur und studierte an der Musikhochschule in Köln Klavier und Komposition bei B.A. Zimmermann und dann an der Universität Köln Kunstgeschichte und vergleichende Musikwissenschaft bei Marius Schneider. Er promovierte am 24. Juni 1967 mit einer Dissertation über zwei persische Santurspieler (Künstler und Amateur im persischen Santurspiel. Studien zum Gestaltungsvermögen in der iranischen Musik, Regensburg 1967)

Er schlug nicht den Weg in eine akademische Karriere ein, sondern arbeitete bei der VHS in Köln als „pädagogischer Mitarbeiter“, war zuständig für Musik und Musizieren, Kunstgeschichte, Literatur und Theologie. Die übliche Weiterbildung lehnte er konsequent ab und praktizierte in Köln eine Erwachsenenbildung im Sinne Eugen Rosenstock-Huessys. 1967 heiratete er Traute geb. Lünzmann, wurde Vater von zwei Töchtern Julia (1969) und Caroline (1972) , in zweiter Ehe mit Sigrid geb. Graf wurden Söhne David Chaim Marius(1978), Niklas Sebastian Nahum (1984), Tochter Hanna Freya (1986) und Simon Eugen Vladimir(1989).

Schon als 15-jähriger Schüler wurde Eckart von seinem Vater aufmerksam gemacht auf Rosenstock-Huessys zweibändige „Soziologie“. Für das erste gemalte Bild, das er verkaufen konnte, erwarb er 1958 den zweiten Band dieses Buches und las in den folgenden Studienjahren mit großer Intensität und außergewöhnlichem Verständnis Rosenstock-Huessys Bücher. Er schloss bald Freundschaft mit Konrad, Ulrike und Freya von Moltke, mit Anca Wittig, mit dem Leiter des Collegium Musicum Judaicum in Amsterdam, Chaim Storosum, mit den früheren Industriepfarrern Sebastian und Wilhelmus Leenman aus den Niederlanden und mit dem aus Siebenbürgen stammenden Professor Andreas Möckel in Würzburg. Unermüdlich setzte Eckart sich in seiner Lehrtätigkeit in der VHS neben seinem Engagement für Eugen Rosenstock-Huessy auch für Franz Rosenzweig, Joseph Wittig, Helmuth James von Moltke ein. In den Jahren von 1977 bis 1988 verbrachte er mit seiner Familie immer wieder die Ferien in Four Wells, Norwich/Vermont, bei Freya von Moltke. In seinen letzten Berufsjahren wurde er auf seine organisatorische Tätigkeit an der VHS beschränkt und dort daran gehindert, als Andragoge zu lehren. Er fasste aber seine gesamte bisherige Lehrtätigkeit zusammen in einer Sammlung all seiner Vorträge, Reden und Seminare unter dem Titel „Mitweg mit Eugen Rosenstock-Huessy“. Auch seine umfangreiche Sammlung der Korrespondenz zwischen Eugen und Margrit digitalisierte er und gab sie 2004 bekannt unter dem Titel „Plaudereien zu Briefen von Eugen Rosenstock-Huessy und seiner Frau Margrit“. Seit 2005 gehörte er dem Vorstand der Rosenstock-Huessy Gesellschaft an, und von 2008 bis 2015 leitete er diese Gesellschaft in unnachahmlich Art (vgl. Dr. Otto Kroesens ausführlicher Beitrag zu diesem Thema im Rundbrief August 2020, S. 3 - 13), und auch nachdem ihn Dr. Jürgen Müller als Vorsitzender ablöste, übte er als Mitglied im Vorstand einen bestimmenden Einfluss aus. Viel zu früh starb Eckart Wilkens an Leukämie und einem damit verbundenen Gehirnschlag. Ich hatte in meiner Zeit als Schüler der Aufbauschule in Bethel 1956-1959 im Geschichtsunterricht von Eugen Rosenstock-Huessy und seiner Revolutionslehre gehört, las später bei der Bundeswehr das Revolutionsbuch und während des Studiums immer wieder auch andere Bücher Rosenstock- Huessys, ohne ihren Zusammenhang wirklich zu verstehen. Ich glaubte sogar, ich könnte mit Rosenstock-Huessy ein akademisches Examen bestehen. Ich musste bald feststellen, dass dem nicht so war. Aber Rosenstock-Huessys Bücher waren mir Lebenshilfe, ich versuchte meine Erfahrungen im Jugendbund, in der Schule, im Studium, in der Ehe, als junger Lehrer und Vater von drei Kindern zu „verdauen“. Immer wieder machte ich die Beobachtung, dass dieser Mann mir in wenigen Sätzen mehr zu sagen wusste als andere in ganzen Büchern.

1974 hatte ich die Idee, innerhalb der Rosenstock-Huessy Gesellschaft so etwas wie eine Arbeitsgemeinschaft der Lehrer zu gründen, um Erfahrungen auszutauschen. Ich unterrichtete an einer Bielefelder Realschule Deutsch und Sport. So besuchte ich also in den durch die Erste Ölkrise verlängerten Weihnachtsferien 1973/74 in Bethel bei Bielefeld meinen 80-jährigen, verehrten Geschichtslehrer und Schuldirektor Dr. Georg Müller, den damaligen Präsidenten der Gesellschaft, der mir bereitwillig eine Kartothek mit allen Mitgliedern samt ihren Berufen übergab. Ich suchte einige heraus, die mit Pädagogik zu tun hatten, unter anderen auch einen pädagogischen Mitarbeiter der Volkshochschule (VHS) Köln namens Wilkens. Ich schickte allen einen Fragebogen, den ich selbst auch ausgefüllt hatte, um den Erfahrungshorizont meiner Adressaten zu erkunden. Dr. Eckart Wilkens aus Köln antwortete tatsächlich auf ein solches Ansinnen, und damit begann eine Korrespondenz, die, zwar immer wieder unterbrochen, doch vom 16. Januar 1974 bis zum 25. April 2020 dauerte. Ende Oktober 1974 besuchte ich ihn und seine erste Frau Traute mit meiner Frau und meinem Sohn Frank, der nur wenig älter als Eckarts Tochter Julia war. Ich hatte eine dicke Aktentasche dabei in der Annahme, einige mir wichtige Schriftsätze mit ihm besprechen zu können. Aber Eckart stand in der Küche, half seiner Frau, unterhielt sich mit meiner Frau, und ich konnte meine Aktentasche vergessen. Meine Frau jedoch war begeistert: kein Intellektueller, kein mit Fremdwörtern um sich werfender Wissenschaftler! Ich aber war höchst unzufrieden mit diesem Besuch. - Nur einmal in der langen Zeit hat Eckart auch mich in Bielefeld besucht und auch bei mir übernachtet. Das war bei einem Treffen mit Prof. Jürgen Frese und Mitgliedern der „Herforder Akademie“, bei dem wir beide zu sprechen hatten.

Bei einem der inoffiziellen Treffen von Rosenstock-Freunden und -lesern, die damals stattfanden, weil Georg Müller nach Rosenstock-Huessys Tod und einer schwierigen Herbsttagung 1973 keine Jahrestagungen der Gesellschaft mehr einberief, von Prof. Andreas Möckel in Mariaberg bei Würzburg organisiert, nahmen auch Eckart und seine zweite Frau Sigrid teil, und Eckart bot mir dabei das Du an. (Dabei ist zu erwähnen, dass das allgemeine Duzen innerhalb der Gesellschaft erst bei der Jahrestagung 1980 in Haarlem, nach dem Tode Georg Müllers 1978, auf Wunsch einiger Niederländer eingeführt wurde). Trotzdem Eckart von 1975 bis 2004 nicht der Gesellschaft angehörte, sahen wir uns immer wieder, denn er wurde oft als Gast bei unseren Tagungen zu Vorträgen eingeladen, und außerdem nahmen wir beide an den Internationalen Tagungen in Berlin 1985 und im Dartmouth College 1988 und auch an der Jubiläumstagung in Würzburg teil.

Aber von Anfang an stand Georg Müller zwischen uns, den ich in seinen letzten Lebensjahren bis zu seinem Tode regelmäßig besucht hatte und dessen Bücher und Aufsätze ich mit großem Interesse las. Aber für Eckart stellte dieser Dr. Georg Müller so etwas wie ein rotes Tuch dar.

Eckart Wilkens hatte am 16. März 1973 im Forum seiner VHS in Köln eine erstaunliche Rede zum Tode Rosenstock-Huessys gehalten: Dienst auf dem Planeten: Er ging der Erfolglosigkeit dieses Mannes in Deutschland nach, behandelt dessen Freundschaft mit Franz Rosenzweig, sein Verhältnis zum Judentum, zur deutschen Geschichte, stellte kritische Fragen. Im Herbst dieses Jahres fand dann in Bethel eine Jahrestagung der Gesellschaft statt, bei der Georg Müller von seinem Sohn Richard eine Ansprache verlesen ließ zum Thema Eugen Rosenstock-Huessy als Lehrer universalgeschichtlichen Vertrauens (vgl. Mitteilungen, 19. und 20. Folge, Frühjahr 1974, S. 10-14). Einige Teilnehmer waren empört, ja entsetzt, denn Georg nahm seinen eigenen Lebenslauf zum Beispiel dafür, dass auch ein akademisch Gebildeter wie er selbst durchaus in der Lage sei, Rosenstocks Bücher zu lesen und das Wesentliche zu erkennen. Aber kein persönliches Wort über seine Freundschaft mit Eugen, kein Wort der Dankbarkeit für den großen Gewinn, den ihm diese Freundschaft gebracht hatte. Allerdings zitierte Georg gewichtige Sätze seines Freundes z.B.: „Die Seele aber ist das Wort, das über den eigenen Leib hinausschlägt; Die Zeiten sind Ergebnisse der gemeinsamen Geschichte, die den Menschen miteinander geschieht.”

Eckart hatte an dieser Tagung der Gesellschaft 1973 erstmalig teilgenommen und durch sein unakademisches, unprofessorales Auftreten trotz seiner akademischen Qualifikation als Dr. phil. und auch wegen seines außergewöhnlichen Vortrages in der VHS Köln sogleich die Sympathie von Freya und Konrad von Moltke, der Brüder Wim und Bas Leenman gewonnen, Georg Müller ernannte ihn immerhin formlos zum Mitglied der Gesellschaft.
Aber nach Erscheinen der 19. und 20. Folge der Mitteilungen der Eugen Rosenstock-Huessy Gesellschaft im Frühjahr 1974 schrieb Eckart vier polemische Briefe an Georg Müller und drei weitere Verfasser dieser Mitteilungen. Dabei nahm er Nietzsche, Freud, Darwin und Marx zuhilfe und warf den Adressaten Dr. Georg Müller, Prof. Dr. Dietmar Kamper, Dr. Wilfried Rohrbach und Karl-Heinz Potthast vor, dass sie nicht nach, sondern immer noch mit oder gar vor diesen vier Dysangelisten lebten. Georg zeigte mir diese Briefe und fragte mich ratlos, was er denn mit Nietzsche zu tun habe, er habe doch bereits kurz nach dem Krieg eine Schrift veröffentlicht Absage an Nietzsche!8 Eckart wartete auf Antwort, aber Georg Müller schwieg, wie auch Rohrbach und Potthast (Kamper besuchte ihn in Köln). Dieses Schweigen empörte Eckart sehr. Als ich erklärend auf ein Zitat von Margarete Susmann hinwies („Die Sprache des Alterns ist das Schweigen“), antwortete er: „Ja, aber welches Schweigen?“
Eckart erklärte dann in einem langen Offenen Brief an Georg Müller im November 1975 seinen Austritt aus der Gesellschaft . Ich war inzwischen so etwas wie Georg Müllers Assistent geworden, besuchte ihn mindestens einmal pro Woche, half ihm in vieler Hinsicht. Er legte mir jeden Brief vor, so auch den von Eckart. Ich war empört über Eckart, der es wagte mit seiner metaphernreichen, blumigen Ausdrucksweise diesen Georg Müller in die Nähe des abscheulichen Heuchlers Uriha Heep zu stellen (Charles Dickens/Rockband).


Ebenfalls in einem langen Offenen Brief an Eckart versuchte ich nun, ihm diesen Mann Georg Müller näher zu bringen: erfolgreicher Lehrer sein ganzes Leben über die verschiedensten Schülergenerationen hinweg in Deutsch, Geschichte, Religion, Philosophie; Freund des Fritz von Bodelschwingh, Freund der Jugendbewegung wie Eugen auch, beim FAD (Freiwilligen Arbeitsdienst) aktiv wie auch Eugen, Offizier wie Eugen, Kasselaner, Pferdeliebhaber usw. Ich verlangte von Eckart Geduld, Anerkennung der treuen Dienste Georgs für Eugen, kein Eifern, sondern Toleranz auch gegenüber Andersdenkenden in der Rosenstock-Huessy Gesellschaft. Darauf telefonierte er zwar freundlich mit mir, aber ohne auf all das einzugehen, was ich ihm geschrieben hatte. Wir blieben in Verbindung, aber Georg schwieg eisern, er merkte, dass er es nicht nur mit Eckart zu tun hatte, nein, auch mit der Familie von Moltke, mit den Brüdern Bas und Wim Leenman, selbst mit seinem Vorstandsmitglied Prof. Kurt Ballerstedt. Georg sprach von Schwärmern, von einer Linksopposition und wollte damit ausdrücken, dass alle diese Gruppierungen in der Gesellschaft viel zu radikale, voreilige Forderungen stellten im Ringen um eine von Eugen verlangte neue Wissenschaftlichkeit. Nach der Lektüre eines Protokolls des Pfingstfestes im Rosenstock-Huessy Huis im Jahre 1975 in Haarlem, nannte Georg Müller mir gegenüber diesen Eckart Wilkens sogar einen „Zeremonienmeister“.
Georg gab noch weitere Folgen der Mitteilungen heraus und veröffentlichte Briefe Eugens an ihn, er kämpfte um seine Autorität und schließlich nur noch resignierend um das Archiv, denn ihm war in den langen Jahren, in denen er versucht hatte, Verständnis für die Lehren seines Freundes Eugen in der deutschen akademischen Öffentlichkeit zu wecken, deutlich geworden, dass dessen Fortwirken eher durch Bücher und ein Archiv zu sichern war, als durch mündliche Überlieferung. Auch Eugen selbst hatte Georg immer wieder Texte übergeben mit dem Vermerk „Fürs Archiv“. Nach Georg Müllers Tod 1978 wurde Prof. Dietmar Kamper sein Nachfolger, versuchte mithilfe von Dr. Hermeier, auch ein Schüler der Aufbauschule in Bethel und mit mir befreundet, das Schiff der Gesellschaft unter der Parole Vielstimmigkeit auf Kurs zu halten, aber es war auch für ihn schwer, die gegensätzlichen Vorstellungen für ein Wirken im Sinne Eugen Rosenstock-Huessys zu vereinen. Dietmar veranstaltete 1985 in Berlin eine große Internationale Eugen Rosenstock-Huessy Konferenz, aber ein Jahr später gab er den Vorsitz auf, und ein guter Freund von Eckart Wilkens, Prof. Andreas Möckel aus Würzburg, übernahm 1986 das Steuer, der Gegenkandidat Dr. Rudolf Hermeier unterlag kläglich. Der neue Vorstand plante sofort eine Abkehr vom bisherigen Stil der Jahrestagungen, die Gesellschaft traf sich in Gulpen in den Niederlanden in einem Feriendorf, wo man eine ganze Woche nicht nur Vorträge hörte und diskutierte, sondern auch etwas länger zusammen lebte, wohnte, arbeitete, spielte. Das Thema war „Die Tochter“. Eine neue Zeitschrift kam heraus, Der Stimmstein, maßgeblich gestaltet von Eckart. Ich aber war weiterhin abwartend skeptisch und konzentrierte mich auf das mir von Georg Müller übergebene Archiv, das eigentlich von der Gesellschaft kaum zur Kenntnis genommen wurde. Ich blieb jedoch mit dieser Arbeit über viele Jahre in Kontakt mit den verschiedensten Mitgliedern der Rosenstock-Huessy Gesellschaft, die alle als Pfarrer, Lehrer und Hochschullehrer, als Sozialarbeiter und Ärzte versuchten, Eugen Rosenstocks Bücher zu studieren und seine Lehren vielleicht auch in ihrem Leben zu praktizieren. Für Freya von Moltke hatte ich auf ihren Wunsch schon 1975 eine Bestandsübersicht des Archivs angefertigt. Sie kämpfte darum, möglichst alle Privatbriefe aus dem Archiv zu nehmen und nach Four Wells in Vermont zu geben. Der damalige Vorstand der Gesellschaft wehrte sich, denn wir wussten, dass Eugens Briefe eigentlich alle nicht privat waren, sondern eng mit allem zusammenhingen, was er lehrte. Für Eckart war es andererseits selbstverständlich, dass diese Briefe nicht in Georg Müllers Archiv gehörten.

Seit 1992 wurde die Gesellschaft von dem jungen Sozialforscher Michael Gormann-Thelen geleitet, der über Georg Müller zur Gesellschaft gekommen war und der mit mir gut zusammenarbeitete, aber wohl keinen Kontakt zu Eckart fand. Die Gesellschaft war schon seit 1991 wieder zurückgekehrt zu Wochenendtagungen mit referierenden Gastdozenten. Immerhin setzten sich Mitglieder der Gesellschaft für ein Projekt in Mittelamerika ein, und Wim Leenman leitete Workcamps in Kreisau und knüpfte so an die Arbeitslager an, die von 1928 – 1930 in Löwenberg in Schlesien von Rosenstock-Huessy und der Schlesischen Jungmannschaft durchgeführt worden waren. In all diesen Jahren schickte mir Eckart immer wieder Beispiele seiner Arbeit in der VHS: Vorträge, Reden, Protokolle von Wochenendseminaren. Alles interessierte mich und ich studierte es eifrig, ohne es immer zu verstehen und für sinnvoll zu halten. Ich lernte sogar eine japanische Heilkunst kennen, Jin Shin Jyutsu, die Eckart seit 1982 praktizierte und mir für meine Tochter empfohlen hatte, die an kreisrundem Haarausfall litt. Im März 1988 bin ich endlich einmal abends nach Köln gefahren, um Eckart bei einem Vortrag zu hören. Er sprach zum Thema „Vier hörbare Stimmen - zum 100. Geburtstag Eugen Rosenstock-Huessys“. Er ließ Fragen zu, es kam zu hitzigen Diskussionen, am Ende musste er eingestehen: „Ach, ich habe mir mal wieder zu viel vorgenommen!“. Im Sommer desselben Jahres wohnte ich vor der großen Konferenz im Dartmouth College eine Woche bei Freya von Moltke in Four Wells, zusammen mit Eckart und Sigrid und Sohn David. Eckart fragte mich überraschend nach meinem astrologischen Wissen, und ich staunte, dass er sich mit Astrologie beschäftigte. Er hatte offenbar Gefallen an irrationalen, nicht akademisch-wissenschaftlichen Lehren, z.B. studierte er auch das chinesische I Ging. Ich konnte mich mit Eckart kaum verständigen. Er kannte mich eben als Georg-Müller-Schüler, und ich hatte den Eindruck, dass er immer aus war auf eine Konfrontation mit mir. Wir konnten uns nicht einigen über die Rolle, die Georg Müller gespielt hat, und dahinter steckte immer die grundsätzliche Frage, wie Eugens Lehren weitergesagt werden sollten: akademisch oder schon argonautisch?

Eckart Wilkens hat im Laufe seines Lebens nach eigenen Worten 430 Gedichtbände geschrieben, der Dachboden seines Hauses in Köln ist voll seiner Bilder.
Als ich 1975 das Rosenstock-Huessy Huis in Haarlem zum ersten Mal besuchte, fielen mir im Treppenhaus vier Bilder von Eckart auf, die dort an der Wand hingen: vier Aquarelle der vier Evangelisten: halb abstrakt, halb gegenständlich: liegend, stehend, sitzend, kniend. Die Bilder wirkten in ihrer grellen Art provozierend. Eckart provoziert auch mich gern immer wieder, wenn er mir Gedichte schickte, meist zu Weihnachten, einmal sogar eine Komposition zu einigen Zeilen von Paul Celan. Ich war ihm zwar dankbar, konnte aber wenig anfangen damit. 2013 schließlich, als Eckart nach einer Jahrestagung allen Teilnehmern Gedichte geschickt hatte, antwortete ich ebenfalls mit gereimten Zeilen, allerdings ziemlich aggressiv, weil ich mich empörte über seine Gedichte, die nicht nur mich überforderten. Darauf schrieb er mir einen drei Seiten langen Brief, der mich bewegte und sogar zu meiner Entschuldigung führte.

Eckart hat sich sein Leben lang mit Kunst beschäftigt. Eines seiner Hauptwerke ist über den Lyriker Paul Celan (1920-1970), der sechs Gedichtbände veröffentlichte. Eckart hatte entdeckt, dass diese sechs Gedichtbände den sechs europäischen Revolutionen zuzuordnen sind. Er hätte dieses Werk über Paul Celan gern veröffentlicht, aber dafür gab es keinen Verlag.

Allerdings hat Eugen Rosenstock-Huessy im Laufe seines Lebens ebenfalls viele Gedichte geschrieben, aber seine Gedichte waren nach meinem Verständnis immer schlichte Gelegenheitsgedichte, darunter viele gereimte Bücher-Widmungen: Mit moderner Lyrik hatte er aber wahrhaftig nichts im Sinn. Er war kein Künstler wie Eckart, sondern immer darauf bedacht, eine Sprache zu sprechen, die gehört und verstanden werden sollte, auch wenn er oft in ungewohnter Weise sprechen musste, weil er vollkommen Neuartiges zu sagen hatte. - Nach meinem Offenen Brief an Eckart schrieb mir Freya von Moltke damals am 16. März 1976 einen sehr vertrauensvollen Brief:

„Ich ehre Ihren Wunsch zu vermitteln. Bleiben Sie doch nur in der Mitte. Vielleicht kommt noch einmal die Zeit, wird es an der Zeit sein, dass Sie sich auf E.W.s Seite schlagen dürfen.“

Ich behaupte zwar, dass ich mich durchaus auf seine Seite geschlagen habe. Nachdem Dr. Herrenbrück den Vorsitz in der Gesellschaft aufgegeben hatte, wollte ich Eckart überreden, für den Vorsitz zu kandidieren, was er merkwürdigerweise ablehnte. Er wurde aber in den Vorstand gewählt und bestimmte seitdem die Art und Weise, wie die Jahrestagungen durchgeführt wurden. Auf Gastreferenten wurde radikal verzichtet, die Vorstandsmitglieder und die Mitglieder wurden aufgefordert, aktiv mitzuarbeiten. Ich verfolgte dieses Experiment mit Interesse aber auch mit Skepsis. Denn manches Vorstandsmitglied schien mir überfordert. Ich musste Eckart dann in seiner Zeit als Vorsitzender immer wieder widersprechen. Ich spürte nämlich, dass Eckart polarisierte, so dass manche Mitglieder nicht mehr zu den Jahrestagungen erschienen. Mir erschien auch diese Art und Weise, wie er die Gesellschaft führte, als ziemlich sektiererisch. Ich musste ihm z.B. auch widersprechen, als er die Verdienste von Dr. Rudolf Hermeier nicht gebührend würdigen wollte, und Eckart war sehr enttäuscht, dass er 2010 die Mitgliederversammlung nicht überzeugen konnte. Als 2014 mein Versuch einer Chronik des Lebens von Eugen Rosenstock-Huessy im agenda-Verlag erschienen war, konnte Eckart im Rundbrief lediglich darauf hinweisen, dass Georg Müllers Archiv mit dieser Arbeit Gottfried Hofmanns seine Aufgabe erfüllt habe, die Gesellschaft könne sich nun endlich der Zukunft zuwenden. 
Eckart war sicherlich ein Freund, der es immer gut mit mir meinte, aber er war auch immer mein Feind, nämlich so wie es Eugen Rosenstock-Huessy 1959 gesagt hatte:

„Jeder von uns braucht seinen geistigen Feind zur Gesundheit.“ (vgl. Die Fortschritte der Gesellschaft und die Soziologie, in: Frankfurter Hefte, 14. Jg., 1959, S. 191)

Was bedeutet aber Eugen Rosenstock-Huessys eigene langjährige Zusammenarbeit mit dem Akademiker Dr. Georg Müller, was bedeutet dieses „Fürs Archiv“, ja was bedeuteten die vielen deutschen Aufsätze und Bücher im ganzen trotz der sorgsam gepflegten Mündlichkeit seines Wirkens, trotz der Liebe zu den niederländischen früheren Industriepfarrern Sebastian und Wilhelmus Leenman, zu Freya von Moltke, zu seinen amerikanischen Schüler und Freunden? Ich wage zu behaupten:

Rosenstock-Huessy wusste, dass der Kampf gegen die Bastionen der akademischen Wissenschaft nur zu gewinnen war, indem er nicht nur auf seine persönliche Wirkung im Gespräch setzte, sondern auch auf die lange Wirkung des geschriebenen Wortes, auf die über Generationen hinaus wirkenden Bücher in seiner deutschen Sprache, auf die Tradition von Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit an deutschen Universitäten trotz aller Hoffnungslosigkeit des Verfalls dieser Wissenschaftlichkeit in der Gegenwart.

Auch Eckarts ungeheure Fülle der Arbeiten in seinen letzten zehn Lebensjahren, die Übersetzungen ins Deutsche, die Gliederungen der Texte in Eckarts eigenartiger Weise, auch die Digitalisierungen, besonders die allerletzten Massenspeicher, die er mit seinem Sohn Simon füllte, alles wird notwendig sein, wenn im Laufe der nächsten Generationen wissenschaftlicher Forschung und Arbeit ein Erfolg sich zeigen wird. Das wird vielleicht noch lange dauern, vielleicht nicht 500 Jahre, wie Georg Müller mir einmal sagte. Aber das Beispiel Theophrasts von Hohenheim, der zu seiner Zeit gegen die Scholastik für eine Naturwissenschaft kämpfte und noch heute mit seinem Spitznamen Paracelsus genannt wird, gibt zu denken. (vgl. Im Jahre des Heils 1527 in: Rosenstock-Huessy: Heilkraft und Wahrheit, Brendow-Verlag 1991, S. 114 – 153)


Wir leben heute in einer Wissenschaftsepoche, die gekennzeichnet ist durch Verallgemeinerung (vgl. Soziologie II, S. 708) aller Erkenntnisse der Naturwissenschaft, das heißt, wir sind alle geprägt von Begrifflichkeit und Logik, ob wir wollen oder nicht. Rosenstock-Huessys “Argonautik“, diese neue dritte Wissenschaft nach Scholastik und Akademik, die nicht mehr von Gott oder der Natur handelt, sondern uns Menschen gerecht werden will, die wir durch Namentlichkeit und durch unser artikuliertes Sprechen gekennzeichnet sind, diese Wissenschaft scheint noch immer in einer Phase der Genialität zu stecken. Oder sollte es schon gelungen sein, eine neue Wissenschaft daraus zu machen? Sind wir noch bei Goethe und Saint Simon oder bereits darüber hinaus? Was bedeutet das Scheitern von lebenslangen Bemühungen, Eugen Rosenstock-Huessys Lehren zu verbreiten, sowohl eines Georg Müller in Schule und akademischer Wissenschaft als auch das von Eckart Wilkens in seiner Institution Kölner VHS? Ich kann nur den Schluss daraus ziehen, dass wir tatsächlich noch immer in der Phase der Genialität stecken. Eckart hat uns allerdings ein Vermächtnis hinterlassen. Er hat durch seine intensive Ausbildung als Musiker auf das Hören so viel Wert legen können, dass er in allen Texten Rosenstock-Huessys dessen Kreuz der Wirklichkeit heraushören konnte, nämlich Rosenstock- Huessys trajektives, präjektives, subjektives und objektives Sprechen. Er wusste auch als Musiker, wie wichtig die Zeit beim Hören ist. Die eigenartigen Gliederungen, mit denen er die Texte Rosenstock-Huessys versah, sind mindestens insofern wichtig, als man als Leser genötigt wird, die geschriebenen Sätze sich als gesprochene Sätze vorzustellen. Rosenstock-Huessy hat sicherlich einen Ozean von Tinte befahren, wie er einmal schrieb. Aber er war eben doch kein Schriftgelehrter wie sein Freund Georg Müller, sondern ein mündlicher Mensch, der in der Lage war, zweimal seine wertvolle Bibliothek zu verkaufen. Seine Vorlesungen waren selten Vorlesungen, meist hatte er nur wenige Notizen, die ihm genügten. Er sprach immer frei und „ungeschützt“, er zitierte nach dem Gedächtnis und nicht immer wörtlich exakt. Auch Eckart sprach oft völlig frei und vertraute auf die Wirkung des gesprochenen Wortes.

Nun ist er nicht mehr unter uns, aber er hinterlässt ein riesiges digitales Erbe, aus dem viel zu lernen sein wird (vgl. neuerdings www.eckartwilkens.org). Ich bin überzeugt und glaube fest daran, dass Eckarts Wirken nicht vergeblich war, dass seine Zeit noch kommen wird, genauso wie auch die von Eugen Rosenstock-Huessy.

Gottfried Hofmann (Stand: 20.03.2023)

5. Freundschaft, ein Leben lang

Lela Oswalt und Eugen Rosenstock-Huessy

Mit keinem anderen Menschen hat Eugen Rosenstock-Huessy einen so langewährenden Briefwechsel gepflegt wie mit Lela Maurig von Sarnfeld, am 4. Januar 1889 geborene Lela Oswalt. Der erste erhaltenen Brief datiert von 1903 und der letzte aus dem Todesjahr von Eugen. Im Anschluß tauschten Lela und Freya von Moltke Gedanken aus. Eine Analyse des Briefwechsels muß einem anderen Ort vorbehalten bleiben. Hier soll nur ein charakteristischer Brief des gerade promovierten Wissenschaftlers dokumentiert werden, der vor Tatendrang strotzt und seine weiteren Pläne andeutet. Wie begeistert er der Wissenschaft zugewandt war ergibt sich schon aus einem Brief vom Februar 1912. Hier berichtet er seiner Freundin von einem Diskussionsabend mit Arthur Salz, einem Heidelberger Privatdozenten im Umfeld von Max und Alfred Weber sowie Eberhard Gothein: „Ich habe neulich einen Abend mit Dr. Salz allein verbracht. Zwar wurde nur vom Wissenschaftlichen gesprochen, aber nicht geredet, sondern es war die gaya scienza, die, nach der jedem dürstet. So war es kein Wunder, dass die klassische Philologie unvermerkt in den Vordergrund trat, als die einzigste, die diesen Stolz nie ganz hat verleugnen können. Für mich war der Aufenthalt in einem so wiederhallenden, rein gelehrten und gerade dadurch rein humanen Gespräch eine Wohltat. Wirklich, es ist ein Aufenthalt, ein Verweilen, auch wenn der Dialog vorschreitet. Deshalb wird aber auch meine Arbeit dem Andenken eines Philologen und Königs der Humanisten gehören. Man muss solche Fürsten fleissig ehren.“ (Brief Stiftsmühle, 14.3.1912). Zu dieser Zeit liest er auch Alfred Webers Schrift über „Arbeiterschicksale”.9 In dieser Lektüre wurzelt seine Schrift über den unbezahlbaren Menschen die jüngst in Neuauflage erschienen ist. Eugen hatte die am 4. Januar 1889 in Frankfurt geborene Lela Oswalt im Urlaub auf Norderney kennengelernt. Der eigentliche Kontakt kam dann aber durch ein Wiedersehen in Heidelberg zustande: 1912 gesellte sich Eugen zu der mit ihren Freunden soupierenden Lela. Beide wurden einander vorgestellt: „ich verstand den Namen nicht, aber der scheinbar unbekannte sah mich immer wieder an, bis eine Eingebung mich sagen liess: Haben wir uns nicht einmal „Du“ gesagt? Darauf er: das wisse er die ganze Zeit, aber er sei nicht sicher, ob ich es wissen wollte, - mit scheint diese kleine Episode sehr charakteristisch für ihn, und so ging es die langen Jahre hin und her, „Du“ und Sie.“ Im Anschluß berichtete er ihr von seinen Spaziergängen „mit Hund“ nach Heidelberg-Ziegelhausen und entwickelte ihr seine Studien- und Karrierepläne. Lela studierte zu dieser Zeit Soziologie bei Alfred Weber und saß im Seminar zusammen mit Werner Picht. Entsprechend berichtete er der Freundin, als er 1924 am ersten Band seiner Soziologie arbeitete, von der Lektüre der Protokolle der deutschen Soziologentage und den Eindruck den er dort von Max Weber, Werner Sombart, Georg Simmel, Ferdinand Tönnies, Arthur Salz und Edgar Salin gewonnen habe. 1932 berichtete er, daß er und Margrit in Breslau „jungmachende“ Freundschaft mit dem deutschamerikanischen Dozenten Carl Joachim Friedrich und seiner Frau geschlossen habe und im selben Jahr: „Am kommenden Sonnabend ist in unserem Hause Verlobungsgesellschaft unseres nächsten Freundes hier, Siegfried Kählers, des Humboldtbiographen. Er geht nach Halle. Und wir werden die Lücke sehr spüren. Sein Weggang macht die Leere in der Universität noch fühlbarer und die Zukunft dunkel. Echte Beziehungen haben wir sonst kaum noch hier.“

In den Mitteilungen der Eugen Rosenstock-Huessy Gesellschaft ist bereits auf den Brief des fortgeschrittenen Studenten an seine Kommilitonin Lena Oswald im Auszug berichtet worden (Mitteilungen der Eugen Rosenstock-Huessy-Gesellschaft, 16. Folge, Februar 1972). Die Einsicht in den kompletten Brief im Bielefelder Archiv gibt weitere Hinweise. In fast euphorischer Stimmung berichtet der junge, gerade nach Leipzig berufene Habilitand von seinem Arbeitsprogramm:

Hochverehrtes Fräulein Oswalt,

…ich werde eine Handvoll Hochgebirge mir auch dieses Jahr einholen….

Mein Buch ist fertig gedruckt und innen für einen vergnügten Tanz neuer Figuren Platz. Wenn Büchertitel schon Taten wären. Aber welch Unterschied, ungebunden von Einfall zu Einfall, auf der Wiese in der Sonne liegend, müssig hingegeben fortzueilen, und dann brav und aufs Uebermasss verzichtend sich auf ein Einzelnes festzubeissen, aber auch durchzubeissen.

In solche einem Augenblick des freien Übergangs meint man schon alle Ergebnisse vorauszuwissen und zeichnet vergnügt eine ganze Lebensarchitektur auf: Jetzt kommt erst eine grosse Biographie an die Reihe nach den Institutionenuntersuchungen bisher und nachdem so von zwei Seiten her das „Geschichtliche“ tastend erfasst ist, kommt die „Kirchengeschichte“. Eine Soziologie mit umgekehrten Vorzeichen oder auch eine Völkerpsychologie mit umgekehrten Vorzeichen, nämlich die Grundthese: das Ganze ist vor dem Einzelnen, die Gemeinschaft entsteht nicht aus Individuen. Es gibt nur Ansätze zur Bildung wahrhafter Einzelwesen, und zwar wird ein Individuum, ein selbständiger Mensch dadurch, dass er die geistigen Kräfte, die sonst nur in der Gemeinschaft Volk, Staat, Kirche, existieren, in sich selbst entfaltet. Der Einzelne ahmt, wenn er wirklich eine Seele bekommt, die Gemeinschaft nach, daher nicht der viel wissende oder viel könnende sondern der innerlich reiche und bewegte Mensch allein auf dem Wege dazu ist, ein Individuum zu werden. Wie Chesterton sagt: For us, God himself is a corporation. Ich will also zeigen, dass wie in der menschlichen Einzelseele so in jeder Gemeinschaft ein gewisses Budget von Kräften herrscht, mit dem gewirtschaftet wird, eine Ökonomie, die nicht sehr große Schwankungen kennt, eine Verteilung der einzelnen Seelenkräfte: Neugier, Mut, Liebe, Furcht, Askese, Verschwendung, Ketzerei, und dergleichen unter die einzelnen Mitglieder und Funktionäre jeder Lebensgemeinschaft. Etwa so, dass die Rolle, die der Priester unter den Katholiken spielt, in jeder anderen Lebensgemeinschaft irgendwie wiederkehrt, entweder so, dass ein scheinbar ganz anderer Funktionär die gleiche seelische Rolle spielt oder, dass die gleichen seelischen Affinitäten und Wirkungen, die dort der Priester erweckt, unter mehrere Elemente verteilt werden, eine Art labiles Gleichgewicht der Seelenkräfte in jeder vollkommenen Lebensgemeinschaft. Da wir nun heut so viele sich schneidende Lebenskreise haben, so herrscht eine besondere schwer zu erkennende geistige Oekonomie = Kräfteverteilung, aber sie ist auch hier vorhanden. Die Aufgabe für die Menschen ist also, sich so zu organisieren, dass 1. die Kräfte nicht beliebig unter viele Kraftträger zersplittert werden. 2. die Kräfte nicht durch Monopolisierung aus Kräften Formen werden. 3. dass die Menschen das Bewusstsein über den Sinn der einzelnen Kräfte lebendig halten. Dass die Gegenwart, um 2 zu erreichen, gegen 1 und 3 sündigt, dass sich andererseits ein kolossaler viel zu starker Rückschlag vorbereitet, dass ist die Grösse der Gefahr und die Schönheit des Augenblicks heut. Denn wem das Bewusstsein die Kräfte auch weder schafft noch verändert, ihre Organisation kann es eben doch mitbestimmen. Also: alle Menschen auf Deck. Dies alle wird Ihnen sehr farblos und allgemein und vielleicht auch unverständlich klingen. Es ist ja nur der oberste, äusserste Rahmen für die „Geschichte der menschlichen Organisation“. Aber ab und zu ist es wohl erlaubt, von der Würde des eigenen Berufes hoch zu denken und sich so zu zwingen, alle Erfahrungen des persönlichen Schicksals mit dem Wissen von Berufs wegen zum Zusammenklang zu bringen. Dass aber auch der „freieste“ nur vermittelt, mittelbar, den Inhalt seines geistigen Lebens besitzt und dass, trotzdem es nur eine Wahrheit gibt, nicht jeder einzelne berufen ist, ihr im wahren Wortverstande nach zu leben, dass es also eine gemeinsame Lebensüberzeugung und trotzdem kein einheitliches Lebensideal gibt, dass ist eine Nuss,, die jeder moralisch leidenschaftliche Mensch heut so oder so einseitig zu lösen Gefahr läuft. Dass die Ketzer und Abtrünnigen, dass Mirabeau und Nietzsche ihre menschliche Grösse neben Augustinus behaupten, dass ist mir immer ebenso unumstösslich gewiss wie ungeheuer merkwürdig gewesen….. (Brief ER v. 20.08.1912 an Lela Oswalt, später Lela von Maurig, Feldbergturm, Kopie; Eugen Rosenstock-Huessy-Archiv in Bielefeld-Bethel: Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen (LKA EKvW 5.16, 140)

Auch wenn die große Biographie nie erschienen ist, kann man doch feststellen, daß es Eugen Rosenstock-Huessy in harter Lebensarbeit gelungen ist, einen großen Teil seines Forschungsprogramms zu verwirklichen.

Sven Bergmann

6. Was nötig ist – Brückenbauen: Bürgerdiplomatie, Volksdiplomatie

„Unsere unwiderstehlichen Diplomaten können keinen Frieden erreichen ohne Verstehen; und Verstehen kann nur erreicht werden durch die Herzen der Völker. Volk zu Volk Programme bieten eine wichtige Ressource für die Verhandlungen von Regierungen, indem sie den Menschen ermöglichen, selber dem gemeinsamen Wunsch nach Freundschaft, Wohlwollen und Kooperation für eine bessere Welt Ausdruck zu geben.“ (US-Präsident Eisenhower 1956)

Die Worte des US Präsidenten zeigen die Machtlosigkeit von Politikern, ihre Abhängigkeit von Ängsten, Stimmungen der Bevölkerungen die sie möglicherweise selber mit erzeugt haben.
Positiv gewendet sagte er damit: Wir Regierungen brauchen Euch um Frieden schließen zu können.
Eine wichtige Einsicht!

Bei dem sowjetischen Historiker Likhachev entdecke ich ein gleiches Bewußtsein:
„Kommunikation zwischen den Bürgern von verschiedenen Ländern ist das Haupthindernis für Krieg. Das Volk sollte wahrnehmen, dass es überall andere Völker wie sie selber gibt. Was unsere Welt daran hindert Stabilität zu erreichen sollte klar festgestellt werden. Einer der gefährlichsten Feinde der Stabilität ist der Chauvinismus. Nach meinen Beobachtungen ist er unglücklicherweise dabei zuzunehmen. Chauvinismus ist das Gegenteil von Patriotismus. Während Patriotismus Liebe seines Volkes ist, ist Chauvinismus Hass anderer Völker. Die Welt braucht alle möglichen Kontakte zwischen Völkern und Staaten und Kulturen.”
(Dmitri S. Likhachev, Soviet historian, 1987)

Clinton Gardner hat in den 1980gern sein Brückenbauen zwischen USA und UDSSR gestartet, wozu ihn Eugen Rosenstock-Huessy motiviert hatte. Obwohl diese Initiative zunächst von der Regierung verurteilt wurde: „these people are no good!“, geschah 1986 das Wunder der „US-Soviet Exchange Initiative“ des US Präsidenten. Die Bürger Diplomatie zwischen Amerikanern und Russen zeigte Wirkung. Ist das nicht ein Grund zur Hoffnung, dass trotz der Verweigerung der Regierungen Frieden zu schließen, wir Menschen und Völker verantwortlich Brücken bauen können?

In dem Stück The Atlantic Revolution von 1940 nennt Eugen Rosenstock-Huessy die mentale Einwanderung jedes Mittelschicht Amerikaners und jeder Mittelschicht Amerikanerin in die neue planetarische Welt als notwendig, damit Grenzen überwunden werden können. Als ersten Schritt nennt er den Dienst an der Erde, den sie ihren Kindern ermöglichen müssen. Dieser Dienst würde unsere erste Akzeptanz der Weltrevolution und ihrer Forderung nach Neuverteilung der Ressourcen der Erde sein. Er hat seinen Vorschlag für alle Bewohner der Erde später Dienst auf dem Planeten genannt (1965).

Ich finde seine Orientierung wieder in dem Wort Together towards life – Mission and Evangelization in changing landscapes des Weltrates der Kirchen (2012).10
Dort heisst es (110): „Wir würdigen alle menschlichen Kulturen und erkennen an, dass das Evangelium nicht im Besitz irgendeiner Gruppe ist, sondern allen Völkern gehört…. Durch die Gemeinschaft mit dem Geist werden wir befähigt, kulturelle und religiöse Schranken zu überwinden, um uns gemeinsam für das Leben einzusetzen.“

Seit 2006 habe ich diverse Dienste auf dem Planeten zwischen Belarus und Deutschland mitorganisiert - Handwerkereinsätze im Erholungszentrum für Kinder von Tschernobyl Nadeshda/ d.h. Hoffnung/ (www.nadeshda.by) Da geschah Herzensbildung. Tausende Menschen aus Belarus und Deutschland, Japan, USA, und anderen europäischen Ländern habe dort erfahren, wie sich ihre Herzen öffneten für unsere gemeinsame Zukunft auf dem Planeten. „Gemeinsam in die Zukunft“ ist Motto dieses Zentrums. Es ist ein „Planetary Post“ – ein Vorposten des planetarischen Lebens, wie – ich glaube – Wim Leenman Kreisau einmal bezeichnet hat.
Corona hat unser jährliches Engagement seit 2020 unterbrochen.

Zum Tschernobyl Gedenktag am 26.April haben wir die Freunde besucht – trotz vieler ängstlicher Bedenker. Wir bereiteten in diesen Tagen den Plan für ein neues gemeinsames Handwerkerprojekt im September in diesem Jahr vor. Überrascht war ich als der Direktor des Zentrums unseren gemeinsamen Plan als Volksdiplomatie bezeichnete. Das könnte eine neue Ära für das Kinderzentrum werden. Es begann 1991 mit dem Ruf um Hilfe für die Kinder von Tschernobyl, dazu kam die Sehnsucht nach Versöhnung zwischen Deutschland und der Sowjetunion, dann kam das Motiv Schöpfung bewahren hinzu. Heute geht es darum Frieden zu stiften, zur Überwindung des Krieges in Worten und Taten. Volksdiplomatie der Völker in gemeinsamem Dienst auf dem Planeten.

Thomas Dreessen

7. Weltgeltung und Kulturbedeutung

Deutschlands Weltprotestant und freier Geist Ernst Troeltsch

Daß Friedrich Wilhelm Graf seine Biographie als „eine“ Biographie bezeichnet, ist fast schon Untertreibung. Graf war in den vergangenen Jahrzehnten in gewichtiger Position treibende Kraft der Forschungen zu Leben und Werk von Ernst Troeltsch. Dessen vielschichtiges Werk war immer präsent, aber in Tiefe und Breite unzureichend ausgeleuchtet. In den Mitteilungen der Ernst Troeltsch-Gesellschaft, deren langjähriger Präsident er war, den Troeltsch-Studien und der seit 1998 erscheinenden kritischen Gesamtausgabe hat sich Graf die Grundlagen zu seiner Lebensbeschreibung gelegt, die wohl auf Jahrzehnte den Maßstab bilden wird. Dabei ist sein Werk im besten Sinne gelehrt, ohne sich in theoretischen Überbauten zu verbeißen und keineswegs selbstverständlich legte er seine Biographie pünktlich zum 100. Todestag seines „Helden“ vor. Und er hält schon in der Einleitung eine zeitgenössische Stimme fest, daß die Weimarer Republik mit Friedrich Naumann (1919) und Max Weber (1920) schon den dritten ihrer prägenden Vordenker verloren habe. In 22 Kapiteln erschließt Graf die Weltbedeutung, die Troeltsch schon zu Lebzeiten erringen konnte. Zusammen mit Max Weber arbeitete er die Kulturbedeutung des Protestantismus in all ihren Facetten heraus. Hier interessieren vor allem die beiden letzten Lebensjahrzehnte von Troeltsch, weil sie helles Licht auf die theologischen, wissenschaftlichen und politischen Diskussionen werfen, die für Eugen Rosenstock-Huessy prägend waren. Der um eine Generation jüngere hat Ernst Troeltsch nicht nur zitiert und von seiner Lektüre der „Soziallehren der christlichen Kirche“ berichtet. Sein Gemeinschaftswerk mit Joseph Wittig, „Das Alter der Kirche“ stellt schon mit dem Titel einen Bezug her zu einem Schlüsselaufsatz von Ernst Troeltsch mit dem Titel „Die Alte Kirche“ in einem der ersten Jahrgänge der internationalen Zeitschrift Logos, wobei der bezugnehmende Titel klar positiver gestimmt klingt und wohl auch so beabsichtigt war. Troeltschs Aufsatz ist eine gewaltige Replik auf Max Webers „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“, die im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik erschienen war und den weiteren Gesprächshorizont bildet (Troeltsch, Ernst, Die alte Kirche, in: Logos VI.Jg., H.3 (1916/17), S.266-314). Schon der Umfang des Aufsatzes spricht Bände und er fällt in die Zeit nach dem persönlichen Zerwürfnis von Weber und Troeltsch im Weltkrieg, die nach 1910 praktisch täglich in der Ziegelhäuser Landstraße im Gespräch standen, Max Weber als Vermieter und Ernst Troeltsch als Untermieter. Im Zentrum des Aufsatzes stehen etwa die kardinale Person Jesu und der Begriff des Christentums: „Niemand, der die Reihe der Christuszeugnisse und -bekenntnisse der Christenheit kennt, kann daran zweifeln, daß der Herzschlag dieses gewaltigen Menschen durch das Ganze hindurchgeht wie das Zittern der Schiffsmaschine durch den ganzen Schiffskörper, auch wo man sich davon keine bewußte Rechenschaft gibt.“ (S.270) Wer sich näher mit Ernst Troeltsch beschäftigt und dabei Friedrich Wilhelm Graf zu Rate zieht, wird also auch ein besseres Verständnis von Eugen Rosenstock-Huessy gewinnen. Auch wenn beide mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten arbeiten, liegen ihre Weltsichten und politischen Positionen doch denkbar nahe beieinander. Für beide ist die Zäsur zwischen Obrigkeitsstaat und Demokratiegesellschaft bestimmend: das Erlebnis des Kaiserreichs, die Revolution und die junge gefährdete Republik. Die Biographie erschließt in 22 Kapiteln sehr anschaulich das Panorama der Zeit, insbesondere die theologischen Diskussionen vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Graf rückt das Bild von Troeltsch zurecht, das sich einige seiner jugendlichen Kritiker von ihm machten: „So sahen Theologen wie Karl Barth und Friedrich Gogarten in Troeltsch nur den Repräsentanten eines bürgerlichen Kulturprotestantismus, der mit seinem historistisch relativierenden Denkstil die Substanz existentiell ernsthaften Glaubens ins normativ Unverbindliche aufgelöst habe – ein insoweit absurder Vorwurf, als gerade der Berliner Troeltsch einen Großteil seiner intellektuellen Energien in die Begründung überindividuell verbindlicher Normativität unter den Bedingungen der historischen Einsicht in die geschichtlich-kulturelle Relativität aller „Kulturwerte“ investiert hatte.“ (S.25) Mit Verweis auf Richard Rothes Christliche Ethik führt er aus: „Zwar bringe die moderne bürgerliche Gesellschaft Entkirchlichung mit sich. Aber Entkirchlichung bedeute keineswegs Entchristlichung.“ (S.180) Und ein weiter Satz läßt aufhorchen: „Troeltsch Entwicklung weg von Ritschl und hin zu seiner eigenen theologischen Position hängt auch mit seinem Denkstil zusammen. Troeltsch dachte dialogisch, er entwickelte seine eigene Anschauung immer in der Wahrnehmung anderer Positionen, an denen er sich teils rezeptiv, teils kritisch abarbeitete. Kein anderer Theologe und wohl überhaupt Geisteswissenschaftler im Kaiserreich hat vergleichbar viele Buchbesprechungen geschrieben. (S.212). „Er wollte, und dies ist im Kern sein bleibendes Thema, eine Theologie entwerfen, die dem modernen geschichtlichen Denken gerecht wird.“ (S.214). Mit neuen Details schildert Graf die Reise Troeltschs und Webers zum Congress of Arts and Science in St. Louis 1904: „Troeltsch und die Webers sahen in North Tomawanda auch ihr eigenes Ideal guter protestantischer Frömmigkeit verwirklicht. „Die Lehre, die gepredigt wird, ist ein so gut wie gänzlich undogmatisches Christentum sehr freien Charakters, die Gemeinde sieht nur auf Persönlichkeit und Predigttalent des Pfarrers, macht die Generalsynode Schwierigkeiten, dann – meint Haupt – würde die Gemeinde austreten.“ (S. 237) In seinem Epilog verweist Graf auf die zentralen Einsichten Troeltschs, die gegen den Zeitgeist standen, daß Religion radikales Differenzbewußtsein ist, „jene Kulturpotenz, die die Immanenz einer jeden Kultur aufsprengt“ (S.546). Und diese Einsicht gilt heute so viel wie damals, gegen allen Fortschrittsoptimismus. Friedrich Wilhelm Graf dankt Trutz Rendtorff und Hans-Ulrich Wehler für die Anregung seiner Troeltsch Lektüren und man kann sich einer Ähnlichkeit in Gestus und Vortrag mit dem Bielefelder Spitzensportwissenschaftler nicht entziehen, wie man anhand einer Buchvorstellung in der Katholischen Akademie in Berlin per Onlinevideo verfolgen kann. Leider hat Graf sich bisher nur sporadisch mit dem Werk von Eugen Rosenstock-Huessy beschäftigt (Graf, Friedrich Wilhelm, Eugen Rosenstock-Huessy, in: RGG, S.636/637.), zumindest nicht in veröffentlichter Form. Dabei wäre er mit seinem profunden Wissen der theologischen Meta- und Detailgesprächswelten für eine Profilierung des „Kreuz der Wirklichkeit“ prädestiniert wie kaum jemand sonst.

Friedrich Wilhelm Graf: Ernst Troeltsch. Theologe im Welthorizont. Eine Biographie, München: C.H. Beck 2022.

Sven Bergmann

8. Adressenänderungen

Bitte senden sie eine eventuelle Adressenänderung schriftlich oder per E-mail an Thomas Dreessen (s. u.), er führt die Adressenliste. Alle Mitglieder und Korrespondenten, die diesen Brief mit gewöhnlicher Post bekommen, möchten wir bitten, uns soweit vorhanden, ihre Email-Adresse mitzuteilen.

Thomas Dreessen

9. Hinweis zum Postversand

Der Rundbrief der Eugen Rosenstock-Huessy Gesellschaft wird als Postsendung nur an Mitglieder verschickt. Nicht-Mitglieder erhalten den Rundbrief gegen Erstattung der Druck- und Versandkosten in Höhe von € 20 p.a. Der Versand per e-Mail bleibt unberührt.

Thomas Dreessen

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  1. Mitteilungen der Eugen Rosenstock-Huessy-Gesellschaft, 10. Folge, Juni 1969. 

  2. Eugen Rosenstock-Huessy, Interview in Münster, in: ders., Unterwegs zur planetarischen Solidarität: Sammeledition von Der unbezahlbare Mensch (1955),(1965), Ja und Nein - Autobiographische Fragmente (1968), hrsg. von Rudolf Hermeier, Münster: Agenda-Verlag 2006, S.288. Der Mitschnitt ist jüngst veröffentlicht worden: Vertreibung des Geistes, hrsg.v. Annette Vogt und Hans Sarkowicz 

  3. Georg Müller, Die Reformation ein erklärbarer Vorgang?. Zur grundsätzlichen Kennzeichnung der Geschichtsschreibung Eugen Rosenstocks, in: Zwischen den Zeiten, 11.Jg., H.2 (1933), S.173-179. 

  4. Eugen Rosenstock-Huessy, Die europäischen Revolutionen und der Charakter der Nationen, Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag 1951, S.530. 

  5. Andreas Leutzsch, Zwischen Welt und Bielefeld: Eugen Rosenstock-Huessy, Georg Müller und ihr Archiv in Bielefeld, in: Jahresbericht des historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, 91. Jg. (2006), S.225-250, hier S.227. 

  6. Eugen Rosenstock-Huessy, Die Sprache des Menschengeschlechts. Eine leibhaftige Grammatik in vier Teilen, 1. Bd., Heidelberg: Verlag Lambert Schneider 1963, S.21ff. 

  7. Mitteilungen der Eugen Rosenstock-Huessy-Gesellschaft, 27. Folge, Mai 1978. 

  8. Georg Müller, Nietzsche und die deutsche Katastrophe, Privatdruck, Bielefeld Bethel 1946; Ders. Absage an Nietzsche, Privatdruck, Bielefeld Bethel 1945. 

  9. 1912 veröffentlichte der Heidelberger Soziologe Alfred Weber in der führenden „Zeitschrift für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“, die von seinem Bruder Max, Werner Sombart und herausgegeben wurde seinen Vortrag: „Das Berufssschicksal der Industriearbeiter“. Wiederveröffentlicht: Alfred Weber, Das Berufsschicksal der Industriearbeiter, in: ders., Schriften zur Kultur- und Geschichtssoziologie (1906-1958), hrsg.v. Richard Bräu (= Alfred Weber-Gesamtausgabe; Bd.8), Marburg: Metropolis Verlag 1998, S.346. 

  10. S.dazu auf unserer Website meinen Essay: Zur Epochenaufgabe: Wir müssen miteinander leben lernen