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Neue Freunde und alte Bekannte

Die Reise des Archivs der Eugen Rosenstock-Huessy Gesellschaft geht weiter

Ohne daß ein Wechsel von Seiten der Gesellschaft beabsichtigt war, geht das Archiv der Eugen Rosenstock-Huessy Gesellschaft 2023 neue Wege, nach mehr als einem halben Jahrhundert Aufenthalt in Bielefeld-Bethel. Seit die Evangelische Kirche in Westfalen den 2011 geschlossenen Depositalvertrag aufgrund von Platzmangel kündigen mußte, prüfte der Vorstand verschiedene Alternativen für den Bestand. Nach vielen Gesprächen und dem inzwischen abgeschlossen Umzug kann von erfreulichen Perspektiven für die weitere Erschließung der Nachlässe von Eugen Rosenstock-Huessy und seinem Bielefelder Freund Georg Müller gesprochen werden. Über ein halbes Jahr erstreckten sich 2023 die Sichtungs-, Pack- und Transportarbeiten. Rund einhundert Umzugskartons gingen auf die Reise nach Marbach und Witzenhausen, Manuskripte, Dokumente, Bücher sowie diverse Bilder, eine von Sabine Bonhoeffer-Leibholz gestaltete Büste von Eugen Rosenstock-Huessy. Während das Deutsche Literaturarchiv in Marbach den engeren Nachlaß übernommen hat, wanderten die Archivalien Georg Müllers, eines Teilnehmers des legendären Treffens auf dem Hohen Meißner 1913, ins 1922 gegründete Archiv der deutschen Jugendbewegung auf Schloß Ludwigstein bei Witzenhausen in Hessen. Die im Zusammenhang mit der Aufbauschule in Bielefeld stehenden Materialien verbleiben in Bielefeld und wurden vom Hauptarchiv in Bethel übernommen. Mit der neuen Konstellation verbindet die Gesellschaft die Hoffnung, daß die Erschließung der Archivalien im Kontext anderer Geistesgrößen oder im Kreis der Jugendbewegung neue Früchte tragen wird. Immerhin fiel der Umzug aus dem westfälischen Bielefeld ins schwäbische Marbach am Neckar ins fünfzigste Todesjahr von Eugen Rosenstock-Huessy sowie in das sechzigste Gründungsjahr der Eugen Rosenstock-Huessy-Gesellschaft. Nur die Zeit kann erweisen, ob es sich um eine Etappe handelt oder ob die Offizierskiste aus dem ersten Weltkrieg in der die meisten Originaldokumente über den zweiten Weltkrieg gerettet werden konnten, das Reiseziel erreicht hat.

Für einen guten Start sorgte noch im gleichen Jahr die erste Mitgliederversammlung der Eugen Rosenstock-Huessy Gesellschaft in Marbach. Neben der Tagung im Kollegienhaus erlaubte das Deutsche Literaturarchiv einen Blick hinter die Kulissen und in ihre Magazine. Da das Marbacher Literaturarchiv keine Präsenzbibliothek ist, erhalten nur wenige Besucher Einblick in die Organisation rund um den Lesesaal. Frau Krusche vom Literaturarchiv, die mit ihren Kollegen schon den fachgerechten Umzug der Archivalien betreut hatte, führte die Besucher durch das Haus auf der Schillerhöhe. Neben dem neuen Standort des Nachlasses von Eugen Rosenstock-Huessy konnten die Besucher einen Blick in das hauseigene Tonstudio, die Büchermagazine sowie das Bilder- und Büstendepot werfen. Immerhin beherbergt Marbach mehr als 1,5 verzeichnete Medieneinheiten, sodaß inzwischen fast die gesamte Schillerhöhe unterkellert ist. Neben Büchern, schriftlichen Aufzeichnungen und Drucken werden auch alle andere Medienarten, wie Tonbänder, Cassetten, Plakate Zeitungsausschnitte oder digitale Datenträger möglichst im Originalzustand bei konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit gelagert und für die interessierte Öffentlichkeit bereitgestellt.

Besonders hoffnungsfroh stimmt der Anspruch der Marburger Dokumentare, daß im Falle einer Aufnahme eines Bestandes auch sämtliche biographischen und thematischen Bezüge aus damit verbundenen Überlieferungen erschlossen werden, wie etwa die Belege zu Eugen Rosenstock-Huessy, die sich im Nachlass von Carl Zuckmayer finden lassen.

Sven Bergmann

aus: Mitteilungen Dezember 2023