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Rosenstock-Huessy: Die Worte des Glaubensbekenntnisses (1958)

DIE WORTE DES GLAUBENSBEKENNTNISSES

Ehre sei dem Herrn, dem Allmächtigen, dem Könige der Schöpfung,… er ist dein Heil und deine Rettung.

Gott ist zugleich unser Schöpfer und unser Erlöser. Die Hymne, in der diese Identität, die den Heiden zuvor verborgen war, freudevoll gefeiert wird, erwähnt nicht das fehlende Glied zwischen Schöpfung und Erlösung. Und das akademische Denken nutzt diese Naivität der Psalmen, Hymnen und Gebete aus, um sich über unseren Glauben lustig zu machen und Gott dieser Identität zu berauben. Das akademische Denken gibt zu, daß Gott oder die Erste Ursache das Universum geschaffen haben könne; aber der Mensch muß sich selbst erlösen.

Da der Streit zwischen dem griechischen Denken, das uns heute als das wissenschaftliche Denken entgegentritt, und der jüdischen Seele, die sich heute in der religiösen Erneuerung wiederbehauptet, 200Q Jahre alt ist, sollte unsere Grammatik imstande sein, ihn zu beenden. Die Grammatik läßt uns die Tatsache entdecken, daß unterschiedliche Mentalitäten in derselben Person Platz finden; niemand lebt alle Zeit hindurch in derselben Denkart. Wir durchschreiten verschiedene Bewußtseinszustände; Imperativ, Indikativ, Konjunktiv, dritte, zweite und erste Person sind Formen, durch die wir hindurchgehen, wenn wir eine bestimmte Aufgabe zu lösen haben. Dieselbe Handlung, bevor, während und nachdem sie von uns begangen wurde, wird von unserem Bewußtsein in ganz gegensätzlichem Verständnis reflektiert. Was ich tun soll, muß meine Einbildungskraft erregen; was ich tue, muß mein Pflichtbewußtsein in Anspruch nehmen; was ich getan habe, muß in meinem Gedächtnis reflektiert werden. Gnade, Gesetz und analytische Vernunft sind sozusagen Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit jedes einzelnen Ereignisses.

Deshalb werden wir uns nun unter dem Gesichtspunkt der lateinischen Grammatik mit den drei Artikeln unseres Glaubensbekenntnisses beschäftigen. Das Glaubensbekenntnis ist augenscheinlich verfaßt um den Widerstreit, daß unsere Erlösung unsere Schöpfung und unsere Schöpfung unsere Erlösung ist. Anfang und Ende, Grund und Ziel sind auf eine Weise miteinander identisch, die dem Schüler in der Schulstube lächerlich vorkommen muß. Für den Logiker ist das Ende der logische Gegensatz zum Anfang und kann der Grund niemals das Ziel sein.

Dieses „Niemals” der Schulstube ist das „Unaufhörlich” des Heiligtums. Der Konflikt muß durch die Einführung eines dritten Begriffs zwischen Schöpfung und Erlösung gelöst werden. Auf diesen dritten Begrijff dürften wir also zu achten haben, wenn wir die griechische mit der jüdischen Tradition, die akademische Wissenschaft mit der persönlichen Überzeugung, den abstrakten Gedanken mit der lebendigen Sprache durch grammatische Einsicht versöhnen wollen.

Welches ist dieser dritte Begriff? Er wird als Offenbarung bezeichnet, als das Öffnen des Vorhangs. Der Ausdruck besagt, daß, solange ein gewisser Vorhang nicht zurückgezogen ist, die griechische Mentalität am Platze ist. Und weiter, daß, wenn der Vorhang zurückgezogen ist, die Psalmen die erste Ursache und die Letzte Wirkung zur Einheit bringen. Wir können hinzufügen, daß der Ausdruck Offenbarung ferner erklärt, warum jedes menschliche Wesen sich abwechselnd vor und hinter dem Vorhang bewegt. Wir wechseln zwischen dem Denken des sündigen Menschen und dem Geist Gottes, und es gibt kein Ende dieses Wechselns, solange wir auf Erden wandeln.

Wann wird der Schleier zurückgezogen? Zwei Bedingungen müssen erfüllt werden. 1. Der Mensch muß sich selbst mit den gleichen Augen sehen, mit denen er die Objekte, die Gegenstände, um sich herum sieht. 2. Der Mensch muß erkennen, daß die Gegenstände lebendige Organe seines eigenen Selbst sind. Offenbarung ist also ein doppelter Vorgang. Dieser Vorgang wird erforderlich im Hinblick auf die Spielbühne bloßen Erkennens und Zur-Schule-Gehens, d. h. eine Bühne, durch die alle zivilisierten Menschen ihre Kinder mehr oder weniger hindurchzugehen zwingen. Nun teilt diese Schule, weil sie Kinderspiel ist, alles in der lebendigen Wirklichkeit in Subjekte und Objekte ein. Und es ist die Grundlage aller Lehre oder Wissenschaft, daß diese Einteilung natürlich und heilsam sei. Die Offenbarung also befreit von dieser unreifen und kindlichen Haltung der Schulmänner und Wissenschaftler, der Denker und Humanisten, indem sie das Bewußtsein in das ernste Leben zurückstößt und die Illusionen jener Kinderschule vernichtet, die wir als das akademische Denken bezeichnen.

Im Zeitenstrom sind die Quelle und die Mündung des Stromes der Zeit ebenso eine Einheit, wie der Mississipi oder der Po eine Einheit von der Quelle bis zum Meere sind. Unsere Existenz in ihm wird jedesmal dann verwundet, wenn wir selbst uns als Subjekte gegen die Welt der Objekte stellen. Das Subjekt-Ich und die Objekte, die wir die Welt nennen, werden auseinandergespalten. Und wie eine Wunde von beiden Seiten frisches Gewebe erzeugt, bis es sich in der Mitte trifft und das ganze Gewebe erneuert ist, so hat die humanistische Spielfreude zwei Seiten an ihrer Wunde: eine ist das Subjekt, die andere das Objekt. Und so muß die Spaltung von beiden Enden her in einer zwiefachen Bewegung geheilt werden. Subjekte müssen aufhören, Subjekte zu sein; Objekte müssen aufhören, als Objekte zu erscheinen. Doch kann die Lösung nicht in der naiven Weise geschehen, daß die Objekte einfach zu Subjekten erklärt werden oder daß alle Subjekte einfach objektiv gesehen werden, als wären sie selbst bloße Objekte. In der Schulstube werden diese beiden verzweifelten und kindischen Lösungen sehr oft angeboten, da Idealismus und Objektivität die Götter der Schulstube sind.

Nein, der Prozeß der Offenbarung ist nicht einfach ein billiger Selbstbetrug. Aber er ist doppelseitig. Seine Kraft hat ihren Mittelpunkt in der Erfahrung, daß, wenn ich spreche oder ich angesprochen werde, meiner bisherigen Existenz als Subjekt oder Objekt eine neue Eigenschaft zugefügt wird. Jenes Wort nämlich ist bisher nicht gehört worden und verwandelt sich nunmehr in den Sprecher oder Hörer, der ein Wort verkündet oder ihm gehorcht. Und von diesem Neuen wußte eine bisherige Definition meiner selbst als Subjekt oder als Objekt nichts.

Verpflichtendes Sprechen, Versprechen, Eid, Gelübde, selbstvergessene Treue, Gehorsam, Ergebung sind zwei Formen des Logos, des lebendigen Wortes, die beweisen, daß wir weder Subjekte noch Objekte sind. Denn unter dem Einfluß dieses wegfließenden oder dieses eintretenden Sprechens sind wir Partner des Schöpfungsdramas, das durch uns hindurchgeht vom ersten Tage der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht. Objekte und Subjekte der Schulstube und der spielerischen Mentalität sind immer wie von gestern. Aber ich bin gegenwärtiger, jetzt, wenn ich verspreche oder befehle. Die lebendige Seele besteht aus ihrer gesamten subjektiven Bewußtheit und all ihrem überkommenen Selbst zusätzlich des Logos, der sie nun zustimmen oder befolgen, gehorchen oder verkünden läßt.

Wer hört, ist nicht mehr sein eigenes Subjekt; eine andere Autorität reicht in ihn hinein aus anderer Quelle als seinem eigenen Bewußtsein. Wer noch nicht gehorcht hat, hat kein Recht, jemals Kommando zu führen. Infolgedessen ist die Intelligenz des Subjekts unfähig, einem Menschen irgendeinen Rang in der Gesellschaft zu geben. Ein Bewußtsein, das in einem Menschen den Gehorsam überwuchert hat, macht ihn zu einer öffentlichen Gefahr.

Und wer befiehlt, hat nicht mehr mit bloßen Objekten zu tun. Er wird zum Mundstück der materiellen Welt, die er organisiert. Jeder, der ein Geschäft gründet, ein Haus baut oder eine Familie gründet, handelt als der Verantwortliche, als das Haupt einer Gruppe von materiellen, aber lebenden Dingen, die durch sein Wort ihrer Bestimmung zugeführt werden. Denn er erhebt den Anspruch zu wissen, was gut für sie ist, und daß er dies besser weiß, als sie selbst es jemals wissen können. Jeder so Führende macht dabei eine wichtige Voraussetzung: daß er selbst Einsicht in die Bestimmung dieser Menschen oder Dinge habe. Dadurch, daß er das Kommando in die Hand nimmt, besagt er, daß er sie ebenso gut oder besser beurteilen kann, als sie sich selbst. In dem Akt des Befehlgebens wird die Trennungswand zwischen Objekt und Subjekt geleugnet, Ich bin in dir, und du bist in mir. Die Schulstubeneinteilung in Subjekte und Objekte wird im verantwortlichen Handeln eitel. Hier liegt der Unterschied zwischen wissenschaftlicher Organisation der Industrie und wirklicher Führerschaft. Ein General kann von dir verlangen, dein Leben zu opfern, da er dich in der Größe und Perspektive der Bestimmung deines Volkes oder der gesamten menschlichen Rasse sieht. Nur aus diesem Grunde kann es Loyalität geben gegenüber dem Präsidenten oder irgendeinem Elternteil, da sie tiefer in deine letzte Verwendbarkeit Einblick haben als dein eigenes subjektives Selbst. Du kannst dich über diese Ebene des Gehorsams gegen einen General oder der Loyalität deiner Regierung gegenüber nur dann erheben, wenn du ihr Maß überfliegst und wenn du den Horizont menschlicher Bestimmung klüger und lebendiger durchdringst. Propheten können Führern den Gehorsam aufsagen. Andererseits kann jeder kindische Junge seinen Job unter einem Manager aufgeben; denn Manager manipulieren in unserer wissenschaftlich geleiteten Wirtschaft mit bloßen Objekten. Aber Meister hielten ihre Lehrlinge, wie Generale heute loyale Soldaten brauchen, weil man von den Meistern nicht erwartete, daß sie Objekte, sondern daß sie zukünftige Meister hervorbrächten, indem sie sie lehrten und sie zu Arbeitskameraden machten.

Durch Führerschaft, Erziehung und Autorität werden Objekte in Kreaturen je eigener Art verwandelt. Und jedes Subjekt hört auf, Subjekt zu sein, wenn es die Berechtigung erhält, seinen Mund im Namen einer höheren Autorität zu öffnen, sei es des Gesetzes oder der Gnade. Denn damit verkündigt es, daß es durch seine Aufnahme in den Strom der Kommunikation geehrt worden ist, der seine Seele erleuchtet zur Verkündung des Lebens vom Beginn der Welt an bis zum Ende der Zeit. Ich habe als Kommandogeber stets ein gutes Gewissen, wenn ich versichert bleibe, daß ich ein und denselben Geist verkünde, den Geist, welcher seit Adams Hochzeitstag durch die gegenwärtige Not und Prüfung bis in die fernste Zukunft fortströmt.

Also der Hörer ist mehr als sein eigenes Bewußtsein. Der Befehlende ist mehr als irgendjemand. Der Hörer ist jemand, der verstanden und erhöht wird über den Grad hinaus, den er bis dahin beanspruchen konnte. Der Befehlende steht stellvertretend für den einen Geist durch die Zeiten, über seine Geburt und über seinen Tod hinaus.

Die beiden neuen Begriffe widersprechen der horizontalen Anschauungsweise der Schulstube, wo 33 Studenten über 330 Objekte theoretisieren können.

Hörer und Befehlender können nur vertikal als Mittelwerte 2 und 3 in einer Hierarchie der Grammatik verstanden werden, die sich folgendermaßen stufen würde:

  1. Die Autorität des Wortes, die Sinn gibt oder verleiht,
  2. die Hörer dieses Wortes,
  3. die Befehlenden durch und unter dem Wort,
  4. die Dinge, die unter solchem Wort geordnet oder organisiert sind.

Da nur der Mensch befehlen kann, der zuvor gehört hat, vermag unsere Liste dem Leser den Fluch des Humanismus aufzuzeigen. In allem säkularen Denken haben 2 und 3 den Platz gewechselt. Man gibt vor, daß der Befehlende, der erste Beweger oder das Subjekt, zuerst kommt und die Objekte für sein Fordern da sind.

Roh wie diese Täuschung ist, beherrscht sie doch unsere Bücher über Sprechen, Sprache, Recht, Regierung, Psychologie, Geschichte und schließlich Religion selbst. Aber gerade gegen diese Täuschung rüsten die christliche Liturgie und das Glaubensbekenntnis den Gläubigen durch alle Zeiten aus.

Geprägt aus dem Blute der Märtyrer, gemünzt durch die Sprache Israels, ist jedes Wort der Liturgie an die gerichtet, die auf dem Wege heraus aus ihrem eigenen Bewußtsein und aus der Welt der Objekte sind, um in das vertikale Verhältnis zu dem Einen Geist einzutreten, der alle lebenden Kreaturen durchdringt und sie zu Sprachrohren der Praedestination ihres Schöpfers verwandelt. Alle Christen aller Zeitabschnitte - das Neue Testament nennt diese Epochen Aeonen und nennt den Sohn und das Wort den Herrn aller solcher Aeonen -, um es noch einmal zu sagen: die Christen aller Epochen mußten diesen Weg gehen. Aber in unserem 20. Jahrhundert gibt es einen Unterschied. Unter uns hat die griechische Mentalität, die einst durch das Blut der Märtyrer als bloße „Gnosis” sich lächerlich gemacht hatte, infolge der universalen Ausbreitung der akademischen Bildung sich wieder auf den Thron wissenschaftlicher Souveränität erhoben. Der gewöhnliche Sterbliche verbringt heute die ersten 22 Jahre seines Lebens in Schulen irgendwelcher Art.

Uns bedroht das Schicksal Chinas, des Chinas der Mandarine. Die eine Hälfte des Volkes ist damit beschäftigt, die andere Hälfte auf ihre Zuverlässigkeit, ihre Eigenarten und Fähigkeiten zu examinieren. In einer solchen Welt nimmt man an, daß die Welt der Wirklichkeit nur aus Subjekten und Objekten bestehe.

Aus diesem Grunde gibt es für die Liturgiker ein rauhes Erwachen. Sie können nicht länger einfach das logische Glaubensbekenntnis mit seinen drei Artikeln wiederholen, noch können sie den Millionen von Schulkindern irgendwelche ernsten Erfahrungen mit dem lebendigen Wort der Autorität und Loyalität in Erinnerung bringen.

Als Grammatiker machen wir den Vorschlag, daß ein zweifacher Versuch gemacht wird, die Not zu wenden. Wir müssen nebeneinander zwei verschiedene Formulierungen des Glaubensbekenntnisses verwenden: die eine im Stil der ersten beiden Jahrhunderte der Kirche,- die andere im Stil der letzten Jahrhunderte. Die Sprache der Märtyrer und Apostel einerseits und die Sprache der Kirchenväter und -lehrer andererseits müssen als zwei grammatische Stufen ein und derselben Wahrheit ausgewiesen werden. Dann könnte die Epiphanie des Geistes, die sich in beiden Phasen inkarnierte, wiederkehren.

Um auf möglichst einfache Weise zu erklären, was wir meinen, wollen wir unsere Überzeugung in der Weise einer primitiven Formel ausdrücken: lehre das Glaubensbekenntnis, indem du zuerst mit dem Dritten Artikel beginnst. Denn den Dritten Artikel können wir nicht bekennen wie eine Allgemeinwahrheit der Schulstube. Sage zuerst: ich glaube an den Geist, die eine Heilige Kirche usw.

Die Freimaurer, Freidenker und Unitarier aller Zeiten nehmen ihr eigenes Denken heraus aus seiner Verpflichtung gegenüber der Autorität; sie sehen nicht ein, daß ihr eigenes Denken die Frucht von Tod und Opfer ist. Sie denken sogar, daß sie bescheiden seien, wenn sie ihre Worte mit der unsinnigen Formel beginnen, mit der sie so unnachahmbar sagen: „schaue das Universum, wie ich es sehe.” Dabei unterstellen sie treffend, daß die Quelle ihres Urteils noch in ihnen selbst sei. Indem sie mit „wie ich es sehe” beginnen, gehen sie daran, über Gott selbst zu diskutieren, als wenn er ihre Worte weder eingäbe, noch ihnen zuhörte. Die Keuschheit des wirklichen Lebens und der Dritte Artikel des Glaubensbekenntnisses geben jeder Einsicht ihre bestimmte Stunde für ihre Zulassung: „Gehe in die Welt hinaus und erwecke sie aus ihrem Schlaf.” Der Mensch, der in den Zeiten zwischen den Toten und den künftigen Generationen eingewurzelt ist, erfährt den Anruf des ewigen Geistes, der durch die hindurchwirkt, die in ihrer eigenen Generation Gottes Sühne werden und seine Stimme als die ihres Vaters hören. Der Mensch, der die Schulstubendialektik von Objekten und Subjekten aufgibt, glaubt im Geist durch den Sohn an den Vater.

Daher war das Credo in Patrem per Filium in Spiritu Sancto die erste Artikulation unseres Glaubensbekenntnisses während der zwei Jahrhunderte inneren Lebens, bevor die gebildete Welt des Imperiums angeredet werden mußte.

Diese Behauptung beglaubigt hier die Tatsache, daß die Zeit zum Wesentlichen gehört. Daher kann der Vater nicht als eine Idee umgriffen werden.

Aber ein ständiges Aufgebot von sogenannten Denkern verkauft uns unseren Gott als eine brillante Idee des Bewußtseins. Man macht uns weis, daß das Bewußtsein aus seinem eigenen Vernünfteln her Gott diskutieren, verstehen und seinem Begriff nach ableiten kann. Aber Gott als Idee ist nicht Gott. Die Ausgeburten meines Bewußtseins sind im besten Falle Gehirnkinder, aber niemals sind sie Kreaturen von Fleisch und Blut. Unser wirklicher Gott ist nicht unsere Idee von Gott; Gott spricht, erscheint und zieht sich zurück, wie es ihm gefällt. Er ist für unser kleines Gehirn nicht einfach nach unserem privaten Willen zu haben. Er ist die Macht, die uns zur rechten Zeit sprechen und hören läßt, weil Hören und Sprechen die höheren Formen des Sterbens und des Zum-Leben-Kommens sind. Und Gott ist der Herr über Leben und Tod und daher der über Stillschweigen und Aussprechen. Der Denker, der sich einbildet, daß er zu jeder Zeit in Vollmacht denken könne, ist vom Teufel besessen. Abwechselnd sagt uns Gott, wann wir Schöpfer, wann wir Geschöpf seien. Das ist der Inhalt des Credo. Seine Bekenner müssen gegen die Deisten beschützt werden. Ihr Denken hat einen wurzellosen und unzeitlichen Antrieb. Der Geist hat im Gegensatz dazu melodische Rhythmen. Deisten reduzieren Gott auf das primum movens.

Wir können Gott, den Schöpfer, nur anrufen durch die Glieder des Sohnes in unserer Generation in dem Einen Geist, durch den unsere Generation aufhört, von allen anderen Zeiten getrennt zu sein, und in Einheit mit ihnen atmet. Die Apostel kannten weder den Vater noch den Sohn, bevor der Geist zu Pfingsten in ihre Herzen eingegangen war. Indessen ist die logische Ordnung, daß Weihnachten an erster, Ostern an zweiter und Pfingsten an dritter Stelle steht. Ostern ist ein Tag des Protestes des Gläubigen gegen die Welt. Und Millionen ist der Name von Pfingsten (auf englisch Whitsunday) unbekannt oder unverständlich. Zu Pfingsten predigte Reinhold Niebuhr in unserer Kirche, danach aßen wir das Sonntagsessen in unserem Hause. Meine Frau erzählte ihm dann, daß es der Pfingsttag sei; er hatte nicht daran gedacht!

Das ist kein Zufall. Und ebenso ist das Aufkommen der wilden und einseitig auf Pfingsten bezogenen Sekten kein Zufall. Weil wir zugelassen haben, daß der Dritte Artikel unseres Glaubensbekenntnisses der dritte Artikel bleibe, hat die Welt versucht, innerhalb des Ersten Artikels zu verharren, die kirchlichen Apolegeten aber haben sich dieser deistischen Welt widersetzt, indem sie sich einseitig auf den Zweiten Artikel konzentrierten und während der letzten 150 Jahre ein Leben des Jesus von Nazareth nach dem anderen schrieben, als wenn uns das die Bedeutung des Sohnes „erklären” könne.

Laßt uns mit Gott in unserem eigenen Leben beginnen: Credo in Spiritum Sanctum et vivificantem, sanctam ecclesiam catholicam, sanctorum communionem, remissionem peccatorum, carnis resurrectionem, vitam venturi saeculi.

Oder nehmen wir auch die vollere Form auf: Credo in spiritum, qui ex patre filioque procedit.

Wir wollen versuchen, das Verstehen der beiden ersten Artikel dadurch vorzubereiten, daß wir die Begriffe des Dritten verlebendigen. Es ist hoffnungslos, im Sinne der Aufklärung vom Ersten oder Zweiten Artikel her an die Verlebendigung der versteinerten Begriffe des Dritten herangehen zu wollen. Durchaus logisch ordnet das Glaubensbekenntnis wie folgt:

Vater an erster Stelle,
Sohn an zweiter Stelle,
Heiliger Geist an dritter Stelle.

Erfahrungsgemäß aber tritt Gott in unser Leben nicht als Schöpfer unserer embryonischen Leiber, wenn wir gezeugt werden, sondern beim Durchbruch unseres kleinen Bewußtseins zur mutvollen Bestätigung unserer Ergebung. Daher ist die der Erfahrung entsprechende Anordnung folgende:

Geist an erster Stelle,
Sohn an zweiter Stelle,
Vater an dritter Stelle.

Das kindische Gerede in unseren Kirchen über Gott, unseren Vater, treibt mir die Schamröte ins Gesicht. Unser Gott ist der Vater, zu dem der Sohn sagen mußte: Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen! Aber unsere Sonntagsschullehrer machen Gott zu dem Vater des Vatertages, im Alltagsdeutsch ausgedrückt: zu einem Papa.

Nachdem die Kirche während ihrer Trennung von der Welt den Glauben an den Vater durch den Sohn im Heiligen Geist bekannt hatte, mußte das Duell mit den griechischen Schulen ausgefochten werden. In Nicäa traten die Väter und Lehrer der Kirche an die Stelle der Apostel und Märtyrer, und sie sahen nichts Böses darin, wenn sie der griechischen Logik nun die patristische Logik der drei Artikel entgegenstellten. Denn alle Logik kehrt die zeitliche Ordnung der erfahrenen Wahrheit um. Jedes Kind wird angehalten, die Elemente zu lernen, obwohl die Erwachsenen zunächst das Ganze erfahren haben, bevor sie es in seine Elemente teilen konnten. Quae sunt prima in experientia, haec sunt ultima in ratione.

Ach, von Athanasius bis Calvin erschien die zweite, rein logische Ordnung der drei Artikel für die Lehre und die Tradition des Christentums ausreichend.

Heute indessen ist der Erste Artikel durch die Deisten isoliert worden. Der Zweite Artikel ist zur Psychologie des Menschen Jesu herunteranalysiert worden, als wenn er nicht durch den Einen Geist aller Zeiten erfüllt worden wäre: Jesus ist zum Produkt seiner eigenen Zeit degradiert worden. Und 98 von 100 Kirchgängern ignorieren den Unterschied zwischen Gottes Geist, der durch Moses und die Propheten gesprochen hat, und einem Gott als Idee. In meiner eigenen Dorfkirche unterließ eines Tages der Pfarrer die Anrufung von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Als ich protestierte, antwortete er: „Ich versichere Sie, daß jeder innerlich lacht, wenn ich diesen sogenannten Heiligen Geist erwähne.”

Unser Weg scheint vorgeschrieben zu sein. Es steht uns nicht frei, entweder die apostolische oder die patristische Formel zu wählen. Wir müssen sie beide nebeneinander lehren. Die apostolische Erfahrung benötigen wir für das Reifwerden unserer Seele; die patristische Logik haben wir nötig wegen der Unreife unserer spielerischen Mentalität.

  1. Zwei praktische Beispiele können die Wichtigkeit der zweifachen Betrachtung deutlich machen. Eine findet sich im Dritten, die andere im Zweiten Artikel. Das Schisma zwischen dem griechischen und dem westlichen Katholizismus bezieht sich auf die Formel des Filioque. Geht der Geist vom Vater durch den Sohn aus oder vom Vater und dem Sohn? Das ist unverständlicher Wortschwall, solange nicht zwischen persönlicher Entscheidung und Schulstubendenken unterschieden wird. Der Laie und erst recht der Pfarrer müssen die Wahrheit entdecken, daß ihr Bewußtsein sich abwechselnd in verschiedenen Aggregatzuständen bewegt.
    Augenscheinlich konnte der Streit über das Filioque nicht ausbrechen, solange die Kirche aus den Märtyrern und Bekennern bestand, die die höchsten Wahrheiten immer in äußerster Lebensgefahr aussprechen. Während sie sprachen, boten sie Leib und Seele den kaiserlichen Spionen dar. Heute nennt man das „existentielles Denken”, als wenn das etwas Neues wäre. Es ist die Entdeckung der Offenbarung. Aber wie die Apostel und Märtyrer ihren Glauben bezeugten, so bezeugten die Kirchenväter nach Nizäa Tradition und Lehre. Sie lehrten, faßten in Lehrsätze und bewahrten den lebendigen Glauben als aufgespeicherte Überlieferung. Nun konnten auf einmal die drei Personen der Trinität aufgezählt werden, anstatt daß sie als die Drei Personen der Trinität gehört worden wären. Erst entstand das Bekenntnis von Menschen in Todesgefahr; die laue Verallgemeinerung der Schulstube aber zerschnitt das Band der zeitlichen Manifestation Gottes in Drei Personen und kam zu einer einfachen Aufzählung von Nummer eins, zwei und drei. Infolgedessen verschwindet der Streit über das Filioque, sobald der konkrete Ausspruch einer lebenden Seele: „Ich atme im Heiligen Geist” und ihre Generalisation: „Ich habe mechanisch gelernt, daß es eine dritte Person gibt” von uns auseinandergehalten werden als zwei beständig einander entgegengesetzte Versuche des Verständnisses.
    Benutze beide Formeln nebeneinander, und es wird deutlich, daß die logische Wahrheit immer das Zeitelement vergißt. Logik ist diejenige Art geistigen Lebens, in der die Göttlichkeit der Zeit übergangen wird.
  2. Wir können nun zu der anderen versprochenen praktischen Anwendung unserer neuen Unterscheidung zwischen zeitlichem und logischem Denken übergehen.
    Jesus wird Unigenitus genannt. Das ist für uns ein versteinerter Ausdruck, aber wenn er in der Glut existentieller Erfahrung verstanden wird, ist er die einzige Weise des Ausdrucks für die Existenz des Menschen zwischen dem Kommen des lebendigen Gottes und den aufgehäuften Dingen einer bereits existierenden Welt.
    Wir übersetzen dies nun mit „der eingeborene Sohn”. Geschichtlich gesehen wurde eine gewisse Erwartung der Zeit Jesu mit diesem Ausdruck bekämpft. Es wurden zwei Söhne Gottes erwartet, einer im Himmel und einer auf Erden. Das Grundgebet „Vater unser” betont die Einheit von Himmel und Erde als Grundvoraussetzung unseres Gebetes im Sinn eines Kampfes gegen die Geschiedenheit von Himmel und Erde. Alle Prädikate des Sohnes drücken die Versöhnung aus, das Wieder-Einswerden von Subjekt und Objekt in ihm, der eine vollkommene Kreatur war, indem er den Tod empfing, und der vollkommener Schöpfer war, indem er aufs Neue uns allen den lebendigen Geist einflößte. Die ganze Wahrheit des Christentums ist also zentriert in der Einheit des Sohnes Gottes im Himmel mit dem Sohn Gottes auf Erden. All die verhängnisvollen und hinlänglich bekannten aristotelischen Streitfragen hatten ihren Ursprung in der Hartnäckigkeit des griechischen Bewußtseins, das von der Unterscheidung von Gegensätzen ausgeht. Wo die Logik herrscht, kann sie nicht zulassen, daß die Wahrheit in einem anderen Augenblick der Zeit aufhört, Wahrheit zu sein. Aber dasselbe Mädchen muß als Jungfrau keusch sein und als Braut sinnenfreudig. Keine Tugend kann im entgegengesetzten Zeitmoment Tugend sein. Laster und Tugenden können infolge der Göttlichkeit der Zeit einfach die Plätze wechseln: „Ist dieser Weg unheilig“ so ruft David aus, „so muß er heute heilig genannt werden”.

An einem Punkt wurde die griechische Logik unerträglich, an dem Punkte, wo ihre Analyse sogar den eigenen Nachbarn für immer als Objekt bloßer Analysis ansieht. Ein Subjekt gegenüber dem Ozean von Objekten ist noch verständlich. Aber wenn dieses eine Subjekt seine Mitsubjekte objektiver Behandlung unterwirft und so nicht mehr weiß, daß sie niemals Objekte seines Bewußtseins, sondern Mitkreaturen und Mitschöpfer sind, dann werden der Himmel, in dem es sein subjektives Bewußtsein durch sich selbst auf den Thron gehoben hat, und die Erde, die nun mit allen Objekten einschließlich aller anderen Menschen bevölkert ist, für immer geschieden. Der Himmel in Einsamkeit und die Erde als bloße Objektwelt, beides ist die Hölle.

Aber das griechische Denken hat diese doppelte Wüste geschaffen, das Cogito meiner isolierten Seele und das bloße Existieren Jedermanns. Von Parmenides bis auf Sartre erstreckt sich dieses unfruchtbare Feld. Der letzte Darsteller Sartres, Merley Ponty, schrieb im Jahre 1953: „Bei Sartre gibt es keine Intersubjektivität.” Das Heilmittel des christlichen Glaubensbekenntnisses gegen diese Seelenkrankheit, die sich Philosophie nennt, findet sich im Dritten Artikel: es gibt nur einen Geist, der vom Himmel zur Erde herab inkarniert wurde. Soweit Seele und Leib getrennt erscheinen, sind sie die Seelen und Leiber der erblindeten, unerlösten Menschen. Die Vergebung der Sünden ist die Handlung, durch welche der heilende Geist die naive Trennung des Bewußtseins zwischen seiner himmlichen Superiorität und der Inferiorität seiner Objekte beseitigt. Mit anderen Worten: solange wir generalisieren, hinken wir hinter unserem eigenen persönlichen Leben her. Wahrend mein Bewußtsein z. B. mir noch sagt: der objektive Ausdruck für diesen Mann ist „Bettler”, hat meine helfende Hand bereits über diese Generalisation hinausgegriffen und diesen vorgeblichen Bettler durch die Kraft des Geistes in meinen Bruder verwandelt. Daher ersetzt die communio sanctorum zu jeder Stunde als eine geheilte Gemeinschaft die Uneinigkeit der Individuen, die sich selbst als bloße Subjekte und den anderen als bloße Objekte erscheinen. Hat man sich genug darüber gewundert, daß im Evangelium nicht etwa der unter die Räuber Gefallene der „Nächste” heißt, sondern der Samariter? Die Logik würde diese Verteilung der Rollen nie vollziehen, aber wer litt, dem wurde aus Totfeind Bruder!

Wenn der Geist Einer ist, nimmt die Geschichte des menschlichen Geschlechts an Gottes ewigem Leben teil, ungeachtet der ununterbrochenen Unterbrechung durch unser privates Leben und unseren privaten Tod. Die heilsamen Wege des Lebens gehen in jeder Generation von den Toten aus (resurrectio corporis), und wir, die Lebenden, werden gerettet durch unsere bedingungslose Hingabe an diese Kraft des Einen Geistes in allen Generationen unter Einen Willen. Das ist die Bedeutung des seltsamen Ausdrucks Credo. Credo vitam venturi saeculi. Du bist verantwortlich für die Rückkehr des Lebens, die Wiederankunft des Geistes in den Herzen der Menschen. Fortpflanzung, dieses Geheimnis unseres Leibes, gilt noch zentraler für die Wege des Geistes. Du mußt lehren, Glauben erzeugen, Liebe erwecken, Hoffnung erregen, die Produkte deines eigenen mißleiteten Fragens und falschen Beispiels zunichte machen und die Wahrheit wiederherstellen, wenn immer du Anderen zuhörst oder selber sprichst. Sonst vermehrst du die Zahl der Lügen und kannst nicht vorgeben, daß das Credo vitam venturi saeculi in dir lebendig geworden ist. Der Dritte Artikel macht den abscheulichen Gedanken unmöglich, daß unsere mentalen Prozesse den Sinn hätten, unsere oder anderer Leute bloße Neugierde, unseren Erkenntnisdurst, unseren wissenschaftlichen Stolz zu befriedigen. Die Seele ist die Magd des Einen Geistes, mit dessen Hilfe die Menschen ihren Zustand als bloße Objekte, bloße Individuen und bloße Bewußtseine in der Schulstube und bloße Klassifizierer von Objekten überwinden. Der Geist beschreibt nicht; er schreibt vor. Wenn der Menschensohn und der Sohn Gottes als ein Untrennbares verstanden werden können, sind Kritiker, Analytiker und Verallgemeiner weniger real, weniger schöpferisch, weniger integriert und weniger in die Zeit eingefügt als Lehrer, Schöpfer, Bundschließer und Entscheider.

Denn solch ein Strebender hört auf, nach der Leiter auszuschauen, die vom Himmel zur Erde führt, oder auch nur zu versuchen, danach zu schauen. Solange er auf die Leiter schaut, bleiben Himmel und Erde getrennt. Wann hört die Trennung auf? Wenn du selbst eine Sprosse für diese oder an dieser Leiter bist. In diesem Augenblick, wenn der Geist auf der Leiter herabsteigt, die von den Märtyrern, den Lehrern, den Sängern und den Gläubigen gebildet wird, was ist dann noch von der Einheit zwischen Ende und Anfang, Himmel und Erde ausgeschlossen? Menschen, geleitet von ihrem erstgeborenen Bruder, sind Unigeniti geworden, Gleiche vor Gott und in Gottes Schöpfung. Und alle Sprossen der Leiter leuchten in der Nacht als Zeugen für die Worte des Glaubensbekenntnisses. Die Worte unseres Glaubensbekenntnisses bilden die normale Sprache für die verlorenen Söhne, die aus der Fremde ihres Bewußtseins an den ihnen vorbestimmten Ort in den Konstellationen des göttlichen Sternenhimmels heimgekehrt sind.

Die zwei ersten Artikel

Wenn wir im Gedächtnis behalten, daß die Apostel erst infolge ihrer Liebe zu Christus in dem Einen Geist zu atmen lernten und daß sie ihre Glaubensflügel innerhalb dieses neuen alldurchdringenden raumüberlegenen Aethers ausbreiteten, verstehen wir, daß sich ihre Kehle angesichts von Folter, Haß, Gefängnis oder der Löwen und Tiger in der Arena nicht schloß. Der leibliche Aspekt des Glaubens wird von uns häufig übersehen. Indessen heißt Glauben haben soviel, wie Atem haben. Die Hoffnung lebt in unseren Augen, die Liebe wohnt in unseren Herzen; der Glaube erweitert unsere Inspiration, unsere Kraft zum Ein- und Ausatmen. Und Gott, der uns als Fleisch und Blut geschaffen hat, läßt selbst unsere Verbindung mit dem Geist sichtbar werden, indem er uns ganz tiefen Atem schenkt trotz Drohung und Druck niederer Mächte. Wer Glauben besitzt, atmet tief und frei und ringt auch in Gefahr und Verzweiflung nicht nach Luft.

Auf diese Weise erfuhren die Apostel das Zeugnis ihrer eigenen Aufnahme in den neuen Aether, als sie die große Wahrheit über ihren Meister und Gott in dieser neuen Atmosphäre verkündeten, über die Mauer des Tempels und des Gesetzes hinaus, hinaus über die Grenzen des Römischen Reiches, hinaus über die Sprache der Hebräer und Aramäer, in der Sprache des Himmels.

Denn dies war das Ziel der Jahre vergeblichen und geduldigen Wartens, bevor sie hinausgingen in die Welt: sie mußten die Worte finden, die weder hebräisch noch griechisch, weder Prophetie noch Philosophie, weder Gesetz noch Dichtung wären. Ihre eigene Wiedergeburt in einem Geist, der Schritt für Schritt vom Zentrum in die Zeit hinunterstieg, an gesonderte Plätze und Stationen, an Ämter und Sprachen, gab ihnen die heilige Aufgabe, das Evangelium zu verkünden, die frohe Botschaft der Wahrheit. Daher sind die Ausdrücke Jungfräuliche Geburt, Auferstehung, Jesu Höllenfahrt apostolische Worte und müssen Jakobus und Johannes, Andreas und Petrus geglaubt werden.

Nun haben, wie in der Apostelgeschichte berichtet wird, diese Männer eine Erfahrung gemeinsam: sie hatten ihre eigenen Seelen bedingungslos Christus übergeben. Sie waren durch eine jungfräuliche Wiedergeburt hindurchgegangen und waren abgeschnitten von Blutsverwandtschaft und Freundschaft, vom Leben ihrer eigenen Täglichkeit und Zeit, wie niemals Menschen vor ihnen. In der Weißglut dieser Erfahrung mußten sie die noch höhere Glut, die Glorie und Reinheit, Unabhängigkeit und Ursprünglichkeit ihres Meisters in Worte fassen. Sie formulierten sie, indem sie sagten: geboren aus der Jungfrau Maria. Denn die Alten, Römer, Juden und Griechen gleichermaßen, nannten die Muttersprache bis zum Jahre 1000 unserer Zeitrechnung die Vatersprache. Unter uns, die wir von Muttersprache reden, würde das Dogma lauten müssen: „Frei von seiner Mutter Schürzenband”! Aber weil Sprache, Geist und Gesetz zu dem Neugeborenen von der männlichen Seite herabkamen und weil ein Enkel den eigenen Namen so empfing, als wenn er den Geist seines Großvaters wiederherstellen solle, mußte der Geist Jesu von solcher Fessel befreit werden.

Doch da gab es eine Schwierigkeit. Die Juden erwarteten den Messias aus Abrahams Samen und dem Hause Davids. Und Gott verachtete ihre Erwartung nicht. Aber das war Vatersprache, Geist des Vaters; daher mußte die Beglaubigung des Jesus von Nazareth - daß David und Abraham ihn autorisierten - sozusagen im gleichen Atem wieder von ihm fortgenommen werden. Sonst wäre Jesus ein Israelit, ein Sohn Davids, geblieben und hätte niemals zur Qualität eines Unigenitus aufsteigen können, der, wie wir gesehen haben, derselbe im Himmel und auf Erden ist, als Schaffenssprecher und als Geschöpf.

Auf diese Weise mußte eine neue Dimension über das Gesetz hinaus geschaffen werden, die Dimension der Gnade, die das Reich der Gesetze und die Bezirke des nationalen Lebens überschreiten würde. Die Mächte, Herrschaftsgewalten und Fürstentümer in den Briefen des Paulus werden unter uns nicht halb so ernst genommen, wie sie es erfordern. Denn die gratia Dei, die freie Gnade, wird nicht verstanden, wenn wir nicht das gesetzliche Wirken dieser lange bestehenden engelhaften Vorgänge anerkennen, die als die Künste, Wissenschaften, Nationen, Sprachen und Klimate durch die Zeiten hindurchgehen. Wenn sie Gottes wirkende Kräfte sind, dann wetteifern sie mit den einzigartigen Bezeugungen der freien Gnade Gottes, und Jesus konnte ebenso wohl der Sohn Davids wie der Sohn des Allerhöchsten sein. In der neuen Dimension wurde die Legalität nicht aufgehoben. Der Zyniker, der die neue Sprache des Glaubensbekenntnisses hört, könnte freilich mit Celsus spötteln und sagen: „Nicht legal, sagst du? Ich verstehe, dann muß er illegal, unehelich von Panthera erzeugt worden sein.” (Panthera, der römische Soldat, der als Erzeuger Jesu namhaft gemacht wird, trug den denkbar bösesten Namen; wir können seinen Namen mit „Urvieh” übersetzen.) Der Spott des Zynikers hat allezeit versucht, die Realität auf die Dimension der zwei rationalen und logischen Wege zu beschränken: auf das Gesetz und das „Nicht-Gesetz”, den Nomos und die antinomische Haltung des Libertiners. Aber diese Spielerei des Gehirns ist leicht als ein leeres Spiel zu durchschauen. Wer nur Legalität und Illegalität, Nationalismus und Internationalismus unterscheidet, besitzt keine Selbsterkenntnis über das Gesetz oder die Nation hinaus. Seine Antithese zum Gesetz oder zur Nation setzt bloß ein „Non” oder ein „inter” vor die einzige Wirklichkeit, mit der er positiv vertraut ist. Man kann jeden Nationalisten und jedes säkulare Bewußtsein daran fassen, daß es ständig mit dieser Dialektik operiert: angenehm und unangenehm, frei und nicht frei, wahr und unwahr, legitim und illegitim. Aber eine solche Sprache ist bloß argumentierend und gehört in die Gerichtshöfe. Es ist nicht die Sprache ersten Ranges.

Die jungfräulichen Seelen, die die Liebe zu Christus in den Aposteln erzeugt hatte, erfuhren als Erste von Allen den positiven Charakter ihres Meisters in einem Bezirk jenseits des Gesetzes. Auf den Spott des Zynikers: „Nicht-legitim, daher illegitim” hätten sie in aller Ehrlichkeit antworten müssen: „Dem Himmlischen gebührt der erste Platz, und dem Nicht-Himmlischen, Irdischen der zweite.” Gerade diese Antwort wurde später der Eckstein des Glaubensbekenntnisses, in dem an erster Stelle Jesus als Sohn des Vaters im Himmel bezeichnet wurde, „ante omnia tempora”, und erst dann als Israelit inkarniert. Die schöpferische Sprache muß allen Zeiten und Dingen einen positiven Namen geben. „Vorher” und „später”, „Himmel” und „Erde” sind nicht solche leere logische Hilfsbezeichnungen wie illegal, unfrei, unangenehm und ähnliche Negationen.

Die Apostel mußten in menschliche Sprache gießen, was ihnen außerhalb und jenseits des jüdischen Gesetzes begegnet war. Sie selbst mußten in eine Dimension eintreten, die niemals innerhalb der Welt der Thora vorhanden war, doch auch keine verbotene Lebensweise gegenüber und außerhalb der Thora bedeutete. Es war daher ein Urteil über ihre eigene Erfahrung, wenn sie von der Jungfräulichen Geburt sprachen. Weder Legalität noch Illegalität konnten die Grundlage der Beziehungen Jesu zu seinem Vater im Himmel sein.

Das ist der Zwang, die vis major, die wir gemeinsam mit den Aposteln erfahren müssen, bevor wir autorisiert sind zur Anerkennung des Satzes „Geboren von der Jungfrau Maria”. Und diese Überlegung zu dem Einzelfall der Jungfräulichen Geburt wirft gleichzeitig Licht auf die Beziehung des Christen zum Glaubensbekenntnis. Das Credo ist sinnlos, wenn es nicht eines Tages in deinem eigenen Herzen wiedererlebt wird als die wahrste Aussage deiner eigenen Wiedergeburt innerhalb des Einen Geistes in Jüngerschaft zu dem Sohn unter dem Willen des Vaters, der deine eigene Erschaffung, Offenbarung und Erlösung vorherbestimmt. Die Beziehung eines Christen zur Tradition steht völlig im Gegensatz zu dem üblichen: warte und sieh! Der Gläubige hält sich an die Regel: höre und warte!

In unserer Gegenwart ist die Jungfräuliche Geburt von höchst praktischer Bedeutung. Wir können eines Tages vor der bösen Tatsache stehen, daß wir alle einfach als Schwarze oder Weiße, Juden oder Heiden, Amerikaner oder Europäer, Kommunisten oder Kapitalisten behandelt werden. Muß ich wirklich zwischen allen diesen Alternativen wählen, um deutlich zu machen, wer ich in Wirklichkeit bin? Vielleicht wirst du mit mir in die gleiche Hölle hinabsteigen, die Jesus umgab, als er begraben schien in seinen Eigenschaften als bloßer Verbrecher, bloßer Jude, bloßer Zimmermann, bloßer Galiläer, bloßer Gegenstand seiner eigenen Tage und Zeit, als eine „res unius aetatis”, was die Westminster-Synode von 1685 wehmütig als den Mangel in der Religion Amerikas bezeichnete. Unserer aller Retter aber gehörte nicht einer Zeit an, noch einer Rasse, noch einem Gesetz, noch einem Klima. Aber wie befreien wir eine Seele von den Mendel, Darwin, Lamarck, von der allgemeinen Entwicklungslehre und von der Statistik? Der moderne Gesetzgeber hat für Gottes Kinder ein wundervolles Schlupfloch im Gesetz übrig gelassen. Er bezeichnet den freien Menschen mit dem prächtigen Titel S. U. Vielleicht müssen wir von der freien Zukunft uns diese Chiffre aneignen. S. U. bedeutet „statistisch unwichtig”. Die einzige Hoffnung liegt in diesen S. U. Die statistisch Unwichtigen alle haben keine Schwierigkeit die Jungfräuliche Geburt anzuerkennen.

Eine ähnliche Notwendigkeit führt zu dem Begriff der Auferstehung, Jesus herrscht zur Rechten des Vaters. Gleich Unigenitus, als Einziger erzeugt, hat der Ausdruck einen Bezug auf zeitgenössische Vorstellungen. Aber er korrigiert, wandelt und sublimiert sie. Die beiden Söhne, der eine im Himmel und der andere auf der Erde, werden miteinander als Einer, Unigenitus, identifiziert. Die Auferstehung Christi hat sehr wenig zu tun mit der Sehnsucht alter Frömmler, immer am Leben zu bleiben. Jesus lebt, wir sind tot: das war die grundlegende Oster-Erfahrung. Mit dieser Verkündigung des auferstandenen Herrn wurde nicht irgendeine abstrakte und unabhängige Feststellung und Aussage über Jesus gemacht. Gerade eine entgegengesetzte Erfahrung wurde zum Ausdruck gebracht, indem die Lebenden sich nicht des Lebens rühmten, und dadurch, daß sie dies nicht taten, konnten sie erkennen, wieviel lebendiger er nach seiner leiblichen Kreuzigung war.

Die Auferstehung paßt schlecht in unsere Tage individueller Psychologie hinein. Denn wir bilden uns ein, wir könnten einen Menschen außerhalb seiner gesellschaftlichen Prägung erfassen. Wir verzeichnen sein Gewicht, seinen Hüftumfang, seine Länge, seine Fingerabdrücke; aber fassen wir ihn damit? Gewiß, wir haben seinen Leichnam bestimmt. Gleich diesen modernen Leichenforschern erblickten die Apostel ihre eigene Existenz außerhalb ihrer Jüngerschaft und Mission als die bloßer Leiber, bloßer Kadaver. Niemand sollte also seine Seele mit dem Ausdruck Auferstehung belasten, der niemals Grade der Lebendigkeit zwischen Tod und Inspiration, zwischen Gnade und Mechanismus, zwischen aufwärts und abwärts erfahren hat. Der Ausdruck „Auferstehung” begründet dein eigenes Verhältnis und dein eigenes Urteil über die Grade der Lebendigkeit zwischen der Fülle der Zeiten und den leeren Augenblicken mechanischer Existenz.

Wer glaubt, daß der Geist seiner eigenen Zeit der einzige Geist ist, der seine Handlungen regeln sollte, und wer noch dazu glaubt, daß der Geist Frankreichs oder Deutschlands als Offenbarung verehrt werden sollte, kann gewiß nicht behaupten, verstanden zu haben, daß der Herr auferstanden ist und daß er jenseits der Geister dieser Länder und jenseits der Geister des 19. oder 20. Jahrhunderts steht.

Die Menschen einer Zeit oder eines Landes sind tot in ihren Sünden. Aber wieder ist der Ausdruck „Sünde” durch die Moralisten seiner kosmischen Bedeutung beraubt worden. Ein Gelage abhalten, stehlen, spielen, fluchen, ja, sogar rauchen und trinken, wurde als Sünde angesehen. Gott und seine Heiligen sind am Kampf gegen solche kleinen Mißbräuche oder Bräuche nicht ernstlich beteiligt. Der Ausdruck peccatum umfaßt eine sehr viel erschreckendere Tatsache. Die Sünde trennt von dem Geschehen, durch welches der Geist vom Vater durch den Sohn und alle Glieder des Sohnesleibes in jeder Generation vorschreitet, und Sünde macht einen Menschen unfähig, eine Person zu werden, d. h. den Platz in der ihm zugeteilten Zeit in der Begegnung mit dem Schicksal auszufüllen. Und ich bin die unglücklichste Natur, solange ich mich nicht neuschaffen lasse. Nun, der Mensch ist nur eine Spielart, innerhalb derer jedes Individuum eine Spielart bildet. Der Mensch: die Spielart, die aus Spielarten besteht, weil jeder von uns zu seiner Stunde vom Vater angesprochen wird und, wenn dieser Augenblick eintritt, unser eigener Weg in unsere spezifische Spielart offenbar wird.

Diese Sünde gegen den herausrufenden, verlebendigenden, ausrichtenden Geist hatte Judas begangen. Er hatte gehört, aber nicht gewartet. Daher war dies die schreckliche Sünde, die sie fast alle am Karfreitag begangen hatten. Der Tod Christi war nötig gewesen, um sie von Judas zu trennen und um sie zu lehren, was die belebende Gnade bedeutet. Wiederum ist diese Bedeutung des Todes Jesu für unsere Sünden heute vergessen. Und diese Verdrängung der spezifischen Bedeutung des Todes innerhalb der Christenheit ist auch verursacht durch die unter uns herrschende individualistische Psychologie. Der Tod eines Menschen wird heute einfach als ein Geschehnis in seinem eigenen gesonderten Leben betrachtet. Und die Bigotten machen sich Sorgen über ihren eigenen privaten Tod.

Ich meine allerdings, daß die meisten Agnostiker bessere Tode sterben als diese Bigotten, die sich für sich selbst entweder mystische Erhöhung oder schreckliche Gefahr für ihre Todesstunde versprechen. Aber der Tod Christi ist wichtig für uns, und nicht für Jesus. Das nun offenbarte Geschehnis des Todes Jesu bestand darin, daß Tod und Leben die Plätze wechselten. Auf mein eigenes Leben folgt mein Tod; das habe ich mit den Tieren gemeinsam. Aber innerhalb dieses Kreises bloß irdischer Existenz trägt der Tod keine Frucht. Es ist krankhaft und geht parallel mit dem moralistischen Perfektionismus isolierter Individuen, wenn ich mich mit meinem eigenen Tod und meinem privaten Nachleben nach dem Tode befassen soll.

Nein, die Offenbarung des Todes Christi erledigt die Idee des sich selbst schaffenden Menschen. „Es gibt keinen Selfmademan im himmlischen Königreich”, das ist ein gutes Wort von Mahan, dem Autor von „Sea Power”. In einem Menschenleben, in dem Himmel und Erde als Eines und vereinigt gesehen werden, in welchem wir Sprossen einer Leiter sind, die sich vom Himmel hinunter bis zu den niedersten Standplätzen eines Knechtes auf der Erde erstreckt, wird die isolierte tierische Existenz von der Geburt bis zum Tode verwandelt. Der geschichtliche Mensch ist die Frucht von Tod und Opfer. Mein Antlitz trägt den Stempel aller Entsagungen und Selbstverleugnungen meiner Ahnen, die ihre Erfahrungen für mich gemacht haben. Ich bin der Erbe ihrer Tode, insoweit sie auf etwas im Blick auf die Zukunft verzichteten. Und jedes verheiratete Paar tut genau dies; das Kind von Eltern erbt die erste übernatürliche, rein geschichtliche Frucht eines Friedens zwischen den Geschlechtern. Friede in unserer Zeit: jedes verheiratete Paar hat solchen Frieden geschlossen. Und für jedes heranwachsende Kind, das von seinem eigenen kriegslustigen Geschlecht geplagt wird, ist dieses Wunder das kostbarste Erbe. In Jesus, der für die tierische Blindheit jener starb, die er liebte, nämlich seiner Feinde, ist der Tod zum Gefangenen geworden; denn der Tod ist nun in das Leben jedes Menschen hineingenommen. Wie die erste tiefe Begegnung mit dem Tode nicht geschieht, wenn ich sterbe, sondern wenn ich jemanden begrabe, den ich wirklich geliebt habe, so öffnet der Tod Christi meine Augen für die geschichtliche Beziehung seines Todes für mein Leben. Sein Tod wird die Saat meines Lebens, und ich kann ihre Frucht werden.

In Ergänzung zu der Geschichte der ersten Schöpfung im Buche Genesis schrieb Matthäus die Geschichte der neuen Schöpfung. Sechs Tage hatte die erste Schöpfung gedauert, weil tausend Jahr vor Gott sind wie ein Tag. Fünftausend Jahre dauerte die Schöpfung Christi, weil alle gerechten und frommen Menschen aller Völker gebetet und sich nach der Offenbarung des vollkommenen Menschen gesehnt hatten. Jesu Tod ist die aufgipfelnde Zusammenfassung von fünftausend Jahren, während derer der Vater zum Sohne sagte: „Laß uns Menschen machen nach unserem Bildnis.” Als der Tod in die menschliche Geschichte einbezogen wurde, war der Mensch das Bildnis Gottes geworden. Denn hat nicht Gott den Tod zum Teil seines Geheimnisses, Leben zu geben, gemacht?

Nirgends in der Natur kann eine Art ihren Charakter infolge des Todes einer Ihrer Glieder ändern. Aber wir haben die Freiheit dazu, wenn die Liebe unsere Augen öffnet und wenn der Tod dessen, der uns liebt, unsere eigenen Leben ausrichtet. Christus ist auferstanden wenn du seinen Tod vor dein Leben gesetzt haft. Denn dann gibt er täglich neues Leben, und du verdankst ihm ein Leben über die bloße Beseelung hinaus. Oder du bleibst ein Insekt, von dessen Leben nicht einmal gesagt werden kann, daß es von der Geburt zum Tode eines sei. Der moderne Mensch lebt wie ein Insekt oder hat die neun Leben einer Katze mit neun (alias) mit dreißig Jobs, mit vier verschiedenen Heiraten, mit sechzig Verrücktheiten und mit einer in jedem Jahre anderen Vorstellung vom Universum. Diese einzellige Existenz ist die Vorstellung des Menschen von sich, solange er annimmt, daß sein Leben nur von seiner eigenen Geburt bis zu seinem eigenen Tode reiche.

Erst jetzt können wir hoffen, die Schwierigkeit des Ersten Artikels zu entdecken. Er lautet so einfach, als wenn ein Physiker oder Astronom ihn verfaßt hätte; „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.” Der moderne aufgeklärte Naturwissenschaftler hat indessen keine Ahnung davon, was in dieser Botschaft zusammengedrängt ist.

Denn die astronomische Feststellung übersieht, daß auch Herr Eddington oder Herr Galilei in das Bild gehören. Auch für sie mag Erde und Himmel von Gott geschaffen worden sein. Aber wer schuf Galileis Bewußtsein und Eddingtons Geist, und wer gab Einstein den Auftrag, Materie auf Energie zurückzuführen? Die Marschrichtung der Wissenschaft, die Einmütigkeit des menschlichen Denkens, die Benutzung oder Nichtbenutzung der Atombombe sind in die astronomische Interpretation nicht eingeschlossen. Vielmehr trifft das Gegenteil zu. Diese Physiker betrachten Himmel und Erde; sie stehen ihnen gegenüber wie ein Maler, der vor seinem Gemälde steht. Und Generationen von Wissenschaftlern verbessern die Pinselstriche auf der Leinwand, auf der ihr Bild von Himmel und Erde gemalt ist.

Nun aber ist der Erste Artikel unseres Glaubens nicht die Feststellung eines Weltbildes. Der Himmel ist nicht der natürliche Himmel, und die Erde ist nicht der Planet.

Der Gott, der Einsteins Verstand schuf und Keplers Leidenschaft, der Kopernikus Nüchternheit verlieh, der Frieden auf Erden gibt, Fortschritt in der Wissenschaft, Gesang und Gebet, Dichtung und Weissagung, der Epochen und Katastrophen verhängt, der das Ende der Astronomie so gut bestimmt wie ihren Beginn, weil er über das Tun und Lassen unserer Zivilisation regiert, dieser Gott hat auch eure Mißgeschicke, eure Zugehörigkeit zu einer Rasse und euer Jahrhundert geschaffen. Und er wird das ebenso in der Zukunft tun. Denn sein „Himmel” ist die gesamte Zukunft, welche er noch für euch bereit hat. „Erde”: das sind alle Tatsachen der menschlichen Geschichte, die bereits Gestalt angenommen haben. Das völlige Mißverstehen des Ausdrucks Himmel in unserem Ersten Artikel ist das Ergebnis davon, daß er außerhalb des Zusammenhangs mit unserem Dritten Artikel gelesen wird.

Michelangelo hat uns in seinem Gemälde die richtige Deutung des Ersten Artikels gegeben. Gott schafft Adam, den ersten Menschen. In den Falten von Jahves Mantel verbergen sich die Elohim, die Engel und Erzengel, durch deren Niedersteigen die Ordnungen des menschlichen Lebens später Fleisch werden. Seit Adam sind diese Elohim herniedergekommen und haben den Nationen, den Berufen, den Sitten und den Sprachen Gestalt verliehen. Erst nachdem diese Elohim ihr Werk getan hatten, machte der Sohn die volle Freiheit in der Wahl irgendeines dieser Elohim, dieser unterschiedlichen Geister, möglich für diejenigen, die sich zum Herzen des Vaters durch den Sohn im Geiste erheben.

Daher können wir enden mit dem Anfang:
Ceterum censeo articulum tertium legendurti a principio, ut resurrectio, ut virgo, ut caelum, ut peccatum, haec verba quae leguntur in articulis vel secundo vel primo, possint resurgere a mortuis definitionibus mentis nostrae non iam regeneratae, et ut Una Trinitas adoretur in Spiritu per Filium ad fidem Patris.

„Die Worte des Glaubensbekenntnisses” ist Teil des PDF-Scan

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